Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition)
ich in einer Stunde eine Sitzung ein. Ich möchte, dass alle Minister und jeder, der irgendetwas zu sagen hat, anwesend sind. Ich werde etwas verkünden. Ihr, verehrter Magister, seid herzlich eingeladen.«
Agaldir verbeugte sich. »Ihr seid sehr großherzig. Doch das wundert mich nicht. Schließlich seid Ihr der Eine von Zwanzig !«
Agaldir ging davon.
Balger starrte ihm entgeistert hinterher und nur sehr langsam schloss sich sein Mund.
Melancholie, wer maß je deine Tiefe? Wo ist sie, die Küste, die den Sorgen als Hafen dient?
Tränen liefen Murgon über das Gesicht. Hatte nicht er selbst, als er sich noch Feiniel nannte, geschrieben, dass wer vom Geist der Traurigkeit geplagt würde, sich hüten sollte, alleine zu sein?
Er war alleine!
War es stets gewesen. Als Kind, als Junge und als Mann. Und hatte sich selbst seiner Gefährtin beraubt. Er hatte nie gelernt, sich selbst der beste Freund zu sein, denn dann, erkannte er, wäre er niemals alleine gewesen und würde es auch jetzt nicht sein. Nun war ihm, als habe er den Duft einer Giftpflanze eingeatmet, die seinen Geist verwirrte und die Tränen lockte.
Sein Lehrmeister hatte einmal gesagt, dass der Ehrgeiz, käme er als Zwerg auf die Welt, nur einen Namen tragen konnte: Eitelkeit!
Er hatte seine Schwester aus Eitelkeit getötet. Das erkannte Murgon jetzt, da sich seine Seele beruhigt hatte und der Zorn verraucht war. Er starrte aus dem Fenster hinunter in die Höhle der Verdammten und der Stein der Festung wollte ihn schier zermalmen. Noch nie hatte er sich so alleine gefühlt.
Wie hatte das geschehen können? fragte er sich nicht zum ersten Mal. Wieso hatte er derart die Kontrolle verloren? Und er erinnerte sich der Stunden, da sie bei ihm gewesen war, ihn getröstet hatte, als niemand ihn tröstete, mit ihm gelacht hatte, als niemand mit ihm lachte, ihn bei der Hand nahm, als niemand es tat. Stets war sie seine große Schwester gewesen und ihm in ihrer Liebe nach Unterwelt gefolgt.
Wie hatte er es ihr gedankt?
Nie! Ja, er hatte ihr das Leben gerettet, auch als sie gegen die Dokks kämpfte und um Haaresbreite von seinen Untieren zerrissen wurde. Doch warum? Um sie später eigenhändig zu töten?
Murgon schluchzte. Sein Körper bebte und er sank in die Knie. Er stützte sein Gesicht in die Hände und aus dem Schluchzen wurde ein Jammern und Heulen. Er verlor jede Kontrolle über seine Traurigkeit. Seine Trauer bahnte sich ihren Weg und alles, was er je erlebt hatte, alles, was ihn je geschmerzt hatte, alle Dämonen, peinigten ihn, schüttelten ihn.
Und er fühlte den Genuss der Trauer. Spürte, wie sie ihn erleichterte. Reinigte. Ihn leer spülte und wieder zu dem machte, der er war.
Er spuckte aus, wischte sich mit dem Ärmel das Gesicht trocken und stemmte sich an der Fensterbank hoch. Er zwang seine Gefühle dorthin zurück, wo sie herkamen. Genug genossen! Es wurde Zeit, nach vorne zu schauen. Er hatte ein Ziel, eine Aufgabe. Und als er die Augen schloss, sah er was vor ihm lag.
Ein Schlachtfeld!
Unzählige Tote, Verstümmelte und Verrenkte, soweit das Auge blickte, und über dem Feld kreisten Geier. Zerfetzte Flaggen steckten im Schlamm, der rot von Blut war. Und er, Murgon, schritt mit gemessenem Schritt über das Schlachtfeld. Sein weißes Haar wehte und der Saum seiner schwarzen Robe glitt durch Rot, Fleisch und Knochen. Er legte den Kopf in den Nacken und breitete die Arme aus. Er brüllte die Götter an, doch er hörte seine Worte nicht. Er forderte jene heraus, die alles dies erschaffen hatten. Er lästerte ihnen und lachte. Er war der Herrscher, Murgon der Dunkelelf, und seine Macht war umfassend.
Und er war alleine!
Erneut alleine!
Sogar nach seinem Sieg war niemand neben ihm, der ihn lobte, der mit ihm den Weg gemeinsam ging. Wo war Katraana? Wo war seine Tochter? Warum stützte sie ihn nicht, ihn, den der Gestank von Blut und Fäulnis betäubte und beseelte gleichermaßen? Täuschte er sich? Würde sie nicht an seine Seite kommen? Hatte er seine Schwester zu früh getötet? Wäre sie es gewesen, die ihn umhegte und sich um ihn sorgte?
Murgon blinzelte die Bilder weg und rieb seine Augen. Sein Körper bebte und Zorn stieg in ihm auf wie überkochendes Wasser aus einem Topf. Blitze schlugen aus seinen Augen und die ihn beherrschende Energie ließ ihn fast explodieren.
Er riss das Fenster auf und schrie: »KATRAANA!«
Seine Stimme wetterte durch die Höhlen wie ein Donnerhall. Er wusste, dass die Dämonen sich nun
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