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Im Schatten des Elefanten

Im Schatten des Elefanten

Titel: Im Schatten des Elefanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elio Vittorini
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gegessen?« schreit meine Mutter ihn an.
    Mein Großvater fragt nicht, wovon. Einen Augenblick noch hält er sein Gesicht erhoben, dann läßt er es allmählich zurücksinken in den greisen Bart, der sich zusammenpreßt.
    »Falle ich dir auf die Nerven?« schreit meine Mutter ihn an. Sie läßt ihn und kommt wieder zu uns. »Ein Mann, – wie ein Elefant!« sagt sie zu uns. »Mit einem Eisenträger unterm Arm konnte er die Gerüste hinaufgehen.« Und laut ausbrechend, setzt sie hinzu: »Anderthalb Kilo, – was ist das schon für ihn? Er hat sonst neun Kilo gegessen! Ja, zehn Kilo hat er gegessen!«
    Hier regt sich, neben Anna, mein Mädel, Elvira. »Tatsache ist, daß wir zuviel schwarz kaufen müssen«, sagt Elvira.
    »Das ist es«, sagt Anna. »Das meine ich auch.« Und meine Mutter: »Er ißt doch nur Brot. Was ißt er denn? Gekochte Zichorien und Brot.« »Alle essen wir nur Brot«, sagt Anna.
    Elvira setzt hinzu, wir könnten vielleicht hin und wieder ein Stückchen Fleisch essen, wenn man weniger Brot kaufe, und der Mann meiner Mutter meint sogar, wir könnten uns vielleicht hin und wieder ein Glas Wein genehmigen, wenn man weniger Brot kaufe.
    »Mach’s Licht an!« brüllt meine Mutter meine Schwester an. Das elektrische Licht blendet sie, doch ihre Augen sind bereits auf den Gatten gerichtet. »So etwas sagst du?« schreit sie ihn an. »Du brauchst nur deine Schuldigkeit zu tun, wenn du das sagst. Arbeite auch du, – und wir werden an Wein denken können.«
    Der Mann meiner Mutter bekreuzigt sich. »Mein Gott!« so hebt er zu wehklagen an. »Wer wird ihr jetzt Einhalt gebieten?« so klagt er. »Gleich bin ich ein Bettler und Vagabund. Gleich bin ich ein Mörder«, klagt er.
    »Du bist nur einer, der unnütze Worte macht«, sagt meine Mutter zu ihm.
    Und der Mann meiner Mutter: »Hört ihr sie? Ich bin einer, der unnütze Worte macht. Sicher auch einer, der nicht weiß, was er redet. Oder nicht?« klagt er. »Ist es denn meine Schuld, daß ich keine Arbeit finde?« sagt er.
    Und meine Mutter zu ihm: »Ist denn überhaupt einer schuld daran, daß wir nur Brot kaufen können?« Diese weitschweifigen Gespräche ermüden die Kinder. Sie werden unruhig; bald greinen sie, bald quengeln sie; sie werden lästig. Und selbst er, unser Alter, scheint sich zu langweilen. Er nimmt das Bein herunter, das er über das andere gelegt hatte, und steht auf, setzt sich wieder, steht auf und setzt sich wieder; fast jeden Augenblick macht er sich bemerkbar mit Sesselknarren und Fußgescharre. Ist er ein Elefant?
    O selige Zeit, da man vielleicht elefantengleich war! Einen Anhauch von ihr empfangen wir in der Kühle, die von dem Park hereinkommt, und wir vermeinen da draußen eine Zeit, da wir uns von dergleichen beseligt fühlten, von der Kühle oder auch von der Sonne in ihrem Licht, von der Nacht in ihrem Dunkel und von einem reifen Körper, den es in einer Gefährtin zu umarmen gilt, das Gesicht bei ihr unterm Pflanzenwerk, unter Büschen, und wir Menschen alle der Brotsorge ledig, von Kräutern gesättigt, von Tau erquickt. Wir haben sie niemals erlebt. Hat sie der Großvater erlebt, den meine Mutter Elefant nennt? Vielmehr: nennt sie ihn Elefant einer Beseligung wegen, die der Großvater erfahren hat? Oder aus einem ganz anderen Grunde? Aus welchem denn?

    3

    Da es zwecklos ist, auf die Suche nach Arbeit zu gehen, begleite ich morgens meinen Bruder Euklid zu dem Mechaniker, seinem Chef, nehme dann meinen Rückweg grasüberwucherten Geleisen entlang und dringe in den Park von Lambrate ein, ins Gebüsch.
    Gewiß, hier ist kein Afrika; man ist inmitten von Bäumen, hört aber in der Umgebung die Tram; man kommt an das ausgetrocknete Becken eines Weihers, aber auch an gußeiserne Brunnen; man reißt einen Ginsterzweig ab, aber man kickt auch ein Blechbüchschen fort, das früher Sardinen enthielt; und man steigt Sandhügel, Dünen hinauf, von wo aus man fern und dennoch als nächstes eiserne Zinnen erspäht. Hier quer hinüber läuf der mit Gesprächen überlastete Telephondraht, und wenn du aufmerkst, hörst du vielleicht das Eichhörnchen oder den Hasen, öfer aber wirst du Stimmen hören, die nach einer Nummer 267 896 rufen. »Wer spricht dort?« so suchen die Menschen sich hier hinüber. Sie suchen einander, sie klopfen beieinander an, und was du hörst, rührt auch daher; oder du hörst auch ein plötzliches Pfeifen, den Zug, – Aufschrei von Tausenden meinesgleichen, die im Zuge vorbeirollen, – Aufschrei auch von mir,

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