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Im Schatten des Elefanten

Im Schatten des Elefanten

Titel: Im Schatten des Elefanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elio Vittorini
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lautesten murrten. »Ich?« ruf sie aus. »Wann denn?« »Wann denn?« spricht der kleine Mann ihr nach. »Ja wirklich. Wann denn? Ihr verdanke ich sogar mehr als irgendeinem anderen, und – von dem Herrn hier abgesehen – danke ich ihr mehr als allen anderen. Übrigens habe ich nicht gesagt, daß ich fortgehe, – wenn ich es auch sehr bald schon sagen muß.
    Nun«, erzählt er, »ich habe bis zum letzten Moment gearbeitet, – ihr seht es an meinem Gesicht, – und ob ich jetzt ins Krankenhaus gehe oder nicht, will nicht besagen, daß mir noch viel Zeit bleiben wird, in einem Sessel herumzusitzen.
    Es ist ja nicht der Tod, der kommt, – wie die Leute sagen. Wir sind es, die dahingehen. Wenn wir das bißchen gefunden haben, das wir finden durfen, – dann ist es aus. Es ist nichts mehr da, das uns etwas bedeuten könnte. Wir trinken noch Wein, aber wir suchen da nichts mehr, und er bedeutet uns nichts mehr. Nichts, – was es auch sei, – es bedeutet uns nichts mehr. Die Luf, die wir atmen, bedeutet uns nichts mehr. Die Nachtruhe, sie bedeutet uns nichts mehr. Das heißt, wir bringen nichts mehr zuwege, und wir können uns, gleich welchen Alters wir sind, schon als tot betrachten. Andernfalls sind wir tot und töricht zugleich.«
    »Ja, ist’s nicht gut, daß es so ist?« unterbricht ihn meine Mutter.
    Unser Gast ist immer noch zerstreut. »Was?« fragt er. »Was Ihr sagtet«, antwortet ihm meine Mutter. »Daß ein Mensch bis zum letzten Moment gearbeitet und, als er aufört zu arbeiten, auch zu leben aufgehört hat.«
    »Das habe ich nicht gesagt«, bemerkt der Gast. »Das mag etwas Gutes sein, aber bisweilen auch nicht …« »Wieso nicht?« ruf meine Mutter aus. »Man fallt keinem zur Last, ißt nicht auf Kosten eines anderen und braucht keinen anderen zum Anund Ausziehen.«
    Der Gast blickt Großvater an. Hat auch eine Bewegung gemacht, als habe er über den Tisch weg die Worte meiner Mutter aufalten wollen, bevor sie den Großvater erreichten. »Was wissen wir, wann ein Mensch eine Belastung ist, – und wann nicht? Es ist einer vielleicht der einzige, der etwas zu essen ins Haus bringt, – und dennoch eine Belastung. Während beispielsweise ein Kind niemals eine Belastung ist. Danach können wir nicht urteilen.« »Aber«, hält meine Mutter fest, »was Ihr da sagtet, das ist gut.« Und bei diesen Worten blickt sie ausgerechnet den Großvater an. »Ihr könnt froh sein, daß Euch nicht viel Zeit dazu bleibt herumzusitzen, – das versichere ich Euch im Namen Eurer Töchter …« Unser Gast blickt von meiner Mutter zum Großvater, dann vom Großvater zu meiner Mutter und abermals von meiner Mutter zum Großvater. »Aber nie habe ich so etwas gesagt«, antwortet er. »Ich will Euch vielmehr sagen«, setzt er hinzu, »daß ich ein sehr bedrückter Mensch war, als ich heute früh hier hereingekommen bin, und daß ich hier hereingekommen bin, gerade weil ich so bedrückt war. Mich fror«, erzählt er, »ich fühlte mich krank, – glaubte meine Tage gezählt und doch glaubte ich nicht, am Ende zu sein. Ich war noch nicht sicher, daß ich’s gefunden hatte …«
    »Euer Motiv, das hattet Ihr gefunden«, sagt meine Mutter zu ihm.
    »Das schon seit längerer Zeit«, sagt der Gast. »Aber für wen denn? Ich wußte noch nicht, für wen ich es eigentlich gefunden hatte …«
    »Kurz und gut«, sagt meine Mutter. »Ihr habt erklärt, daß Ihr froh seid, bis zum letzten Moment gearbeitet zu haben, und jetzt wollt Ihr das Gegenteil behaupten.«
    »Ich behaupte ja nicht das Gegenteil«, sagt der Gast. »Wäre sogar froh, wenn ich nicht mehr die Zeit dazu hätte, mir vom Gesicht den Schmutz meiner Arbeit abzuwischen. Aber ich sage, daß wir selber es wissen, wann wir tot sind, und daß wir uns dann bereithalten müssen. Weiter wollte ich ja nichts sagen.«

    24

    »Schön!« sagt meine Mutter.
    Sie überlegt. Beim Überlegen schaut sie zum Großvater hin, auch schaut sie einmal ihren betrunkenen Gatten an, rückt schließlich mit der Frage heraus:
    »Aber die Elefanten … Sterben sie oder sterben sie
nicht?«
»Oh!« ruf der Gast aus.
    Mit seinem Lächeln nimmt er den Aufstieg zur Höhe der Begeisterung. Er hat ja gesagt, daß es sein Traum war, den Beschwörer zu spielen. Hat er nicht eher sagen wollen, daß er von einer Tätigkeit träumte, die ihm gestatte, sich zu begeistern?
    »Sollen sie etwa nicht sterben?« ruf er aus. »Ich weiß es nicht«, sagt meine Mutter. »Allerdings«, setzt sie rasch hinzu,

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