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Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition)

Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition)

Titel: Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Rath
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nächsten Fenster hinüberhangeln und von dort auf das Dach des darunterliegenden Hauses springen. Da gab es zwar nichts, um sich festzuhalten, doch das schräge Dach würde den Aufprall zumindest etwas abfedern. Wenn sie dann vorsichtig weiterrutschten, bis zur Dachrinne, waren es höchstens noch zwei Meter bis zum Boden. Mutter würde die Rutschpartie wahrscheinlich überleben, Herr und Frau Kruse möglicherweise auch. Aber die Kinder und Witwe Stücker müssten wohl hier oben bleiben.
    Vor dem Küchenfenster stieg jetzt weißer Dampf auf. Das Prasseln der Flammen ging in ein Zischen über. Schließlich hörte dieses Geräusch auf und auch die lauten Rufe im Hof. Es polterte auf der Treppe, die Wohnungstür flog auf, und im Türrahmen stand ein Mann. Er war ganz schwarz, nur das Weiße in seinen Augen war zu erkennen.
    »Da seid ihr ja«, rief Jan. Schnell zählte er durch, keiner fehlte. Er boxte Moritz in die Seite und grinste. »Wir haben gewonnen. Das Feuer ist gelöscht.«
    Moritz schaute seinen Bruder erleichtert an. »Du könntest dich mal wieder waschen. Und vorne hast du keine Haare mehr.«
    »Oh, gar nicht gemerkt.« Jan strich sich über den Kopf. »Du hast was versäumt, Kleiner. Wir haben mit den Elementen gekämpft.«
    »Es hätte auch daneben gehen können«, sagte Johann Forck, der gerade die Treppe hochkam. Er sah ebenso schwarz aus wie Jan, seine Hose triefte vom Löschwasser.
    Moritz schaute sich unten im Hof um. Von dem Holzverschlag, in dem die Forcks ihre Quartiersmannschürzen untergebracht und ihren Holz- und Kohlenvorrat gelagert hatten, stand nur noch das verkohlte Gerüst. Die Haustür daneben war vollständig in Flammen aufgegangen, der Türrahmen angekokelt. Auch die Fenster hatten einiges abbekommen: die einen waren angesengt, andere nur rußgeschwärzt.
    Ein Ächzen und Quietschen riss Moritz aus seinen Gedanken. Einige Männer wendeten gerade die Feuerspritze und schoben sie nach draußen auf die Gasse, wo die Pferde warteten.
    »Der Pumpenwagen war recht schnell hier«, sagte Johann Forck anerkennend, »viel schneller als vor drei Jahren. Wir haben doch einiges dazugelernt seit dem großen Brand.«
    Die Männer und Frauen standen erschöpft beieinander und redeten leise. Schließlich sammelten sie ihre Eimer und Töpfe ein. Ludwig Stern, der invalide war und nicht mehr arbeiten konnte, erklärte sich zur Feuerwache bereit.
    Familie Forck saß in der Küche um eine Kerze, die Mutter Forck vorsichtshalber in eine Schüssel mit Wasser gestellt hatte. Obwohl alle müde waren, mochte jetzt keiner schlafen gehen. Vater und Jan tranken einen halben Eimer Wasser aus.
    »Ich kann trinken, so viel ich will, ich bekomme diesen ekligen Geschmack nicht von der Zunge«, schimpfte Jan. Er wischte sich über die feuchten Lippen, ein heller Streifen auf der Wange wurde sichtbar.
    »Wir haben doppeltes Glück gehabt«, sagte der Vater. »Unser Leben haben wir Ludwig Stern zu verdanken. Der konnte nicht schlafen wegen der Schmerzen in seiner steifen Hüfte. Als er aus dem Fenster sah, hat er die Flammen bemerkt.«
    Moritz blickte unangenehm berührt zu Boden. Er nahm sich vor, den alten, verbitterten Mann in Zukunft freundlich zu grüßen, was er bisher noch nie getan hatte, weil er sich vor dem Invaliden fürchtete.
    »Ludwig hat aber noch etwas gesehen. Einen Mann, der über den Hof lief.«
    »Brandstiftung?«, fragte die Mutter erschrocken.
    »Ganz sicher«, sagte Jan.
    »Nicht unmöglich«, schränkte der Vater ein. »Vielleicht wollte der   …«, er zögerte kurz, »der Brandstifter das Feuer im Schuppen legen, dann hätten wir es viel zu spät bemerkt. Er hat jedoch den Riegel an der Tür nicht aufbekommen. Das ist das andere Glück, das wir hatten.«
    Jan grinste, und Moritz wusste warum. Die Tür ging nur auf, wenn man sie anhob und gleichzeitig am Riegel zog. Jan hatte schon lange den Auftrag, die Tür zu reparieren, doch er hatte keine Lust dazu gehabt.
    »Lasst uns schlafen gehen«, sagte der Vater. »Wir müssen in ein paar Stunden wieder aufstehen. Jan und ich legen uns auf den Fußboden, so schmutzig wie wir sind. Mutter und Moritz gehen in die Kammer.«
    »Wer kann so gemein sein und Feuer an ein Wohnhaus legen?«, fragte Moritz.
    »Wir hätten uns nie auf die Sache mit diesem Elbrandmord einlassen sollen«, sagte die Mutter.
    Johann Forck schaute sie ärgerlich an. »Du hast recht, Frau. Doch jetzt ist es zu spät. Jammern nützt nichts.«
    »Wir müssen Wachen aufstellen«, meldete

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