Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition)
saß einem Engländer gegenüber, der ein ausgezeichnetes Deutsch sprach. Er war nicht nur ein gebildeter junger Herr, sondern auch ein überaus gut aussehender Gentleman.
»Das Reitkleid steht Ihnen ausgezeichnet«, sagte er. »Bei mir zu Hause würden Sie von der Königin zur Fuchsjagd eingeladen werden.«
Cäcilie errötete, Alexander runzelte ärgerlich die Stirn.
Nachdem der Hausherr alle Gäste begrüßt und an der Tafel eine kleine Ansprache gehalten hatte, wurde das Essen aufgetragen. Als Vorspeise wurden eingemachtes, kaltes Gemüse und verschiedene Pickles sowie Weißbrot gereicht.
»Eine gute Idee«, raunte Madame, »das muss ich mir merken. Nach diesem Gang essen die Leute nicht mehr so viel vom Hauptgericht.«
Caesar wollte ihr nicht beipflichten.
Der erste Gang bestand aus verschiedenen Pasteten, einem sauer eingelegten Wildschweinkopf und geräuchertem Aal. Dazu trank man französischen Rotwein. Madame schaute angeekelt auf den Kopf des Tieres, das eine Zitronenscheibe im Maul hielt und mit blinden Augen genau in ihre Richtung blickte.
Caesar Schröder langte reichlich zu.
Der zweite Hauptgang war ein Ochsenmürbebraten in Meerrettichsauce. Zum Fleisch drang man jedoch erst durch, nachdem man einen Berg entschalter Austern beiseite geräumt hatte.
Madame verfluchte ihr Korsett. In einem unbeobachteten Augenblick pickte Caesar die Austern von ihrem Teller.
Die meisten Gäste streckten noch vor dem Nachtisch die Waffen, die Gespräche erlahmten. Doch Caesar Schröder mochte die Rote Grütze mit Sahne und insbesondere die Windbeuteltorte à la Louis Quatorze nicht unberührt stehen lassen. Ungeachtet der allgemeinen Erschlaffung ließ er sich den Teller zweimal auffüllen. Der magenkranke schwedische Konsul beobachtete ihn mitzunehmendem Entsetzen, rülpste hinter vorgehaltener Hand und bestellte einen doppelten Schnaps.
Nach dem Essen begaben sich die Männer in den Billardsalon, um zu rauchen. Es bildeten sich genau die gleichen Grüppchen, wie sie auch an der Börse zu finden waren. Man plauderte über die Entwicklung des Handels und der Schifffahrt, den Anstieg der Rohstoffpreise, die Unruhe unter den französischen Arbeitern und über die Bildung eines Arbeitervereins in Hamburg, was alle verwerflich fanden. Und man plauderte natürlich über die schwedische Opernsängerin Jenny Lind.
Nachdem sich die Männer entfernt hatten, erfüllte das Rauschen teurer Stoffe den Saal. Die Damen wechselten in den kleinen Salon, wo Mocca und Konfekt gereicht wurden.
»Haben Sie Demoiselle Stolte gesehen, Frau Mama?«, fragte Cäcilie leise. »Die hat sich gut herausgemacht. Sie ist richtig hübsch geworden.«
»Hübsch schon, doch hast du den kalten Blick bemerkt, mit dem sie uns gemustert hat? Die hat Gift in den Adern, genau wie ihre Mutter.«
»Taxieren sich nicht alle Frauen so?«
»Ja, leider.«
Zwischen Kaffee und Konfekt tauschten die Damen Komplimente aus, nicht selten gewürzt mit vergiftetem Lob. Madame Schröder verstand es geschickt, das Gespräch auf diesen schrecklichen Mord an dem Werftbesitzer zu lenken. Alle schienen betroffen über diesen Vorfall, man legte – der Pietät wegen – eine Schweigeminute ein. Danach jedoch führten die Klatschmäuler das große Wort. Frau Senator Albers mit ihrer schrillen, durchdringenden Stimme war es vergönnt, sich in dem allgemeinen Lärm Gehör zu verschaffen.
»Dass so etwas in unserer Stadt passieren kann«, rief sie und richtete ihren Blick gen Himmel – beziehungsweise zur Zimmerdecke. »Der Bürger Elbrand war ein so honorabler Mann. Er hatsich immer für das Gemeinwesen eingesetzt. Schon zur Franzosenzeit hat er dafür gesorgt, dass die Belastungen der Bevölkerung nicht allzu drückend wurden.«
»Ach was«, entgegnete Madame Godeffroy schroff, »der hat doch sein Mäntelchen immer in den Wind gehängt. Erst hat er den Franzosen gedient, und als die endlich vertrieben waren, saß er plötzlich im Rat der Stadt.«
»Das können Sie ihm nicht vorwerfen!«, schrie Frau Senator in einem schrillen Diskant. »Er hat sich immer um das Wohlergehen der Stadt gekümmert. Und er hat die schönen Künste gefördert.«
Madame Godeffroy brach in ein hysterisches Lachen aus. »Der hat wohl eher die schönen Künstlerinnen gefördert. Seine Frau hat er jedenfalls stark unterdrückt, die sah immer sehr verhärmt aus. Und ist ja auch früh gestorben.«
»Der Mann hat nicht lange um seine Frau getrauert«, flüsterte eine der Damen ihrer
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