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Im Schatten des Ringes

Im Schatten des Ringes

Titel: Im Schatten des Ringes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cynthia Felice
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sich ebenfalls um und wählte einen handgewebten Umhang, der seinen Schwanz nicht verhüllte, wie es bei seiner Reisekleidung der Fall war. Der Pelzkamm an seinem Hals und den Rücken hinab setzte sich in einem eleganten Schwung in seinem Schwanz fort, ein Effekt, den viele Leute nicht erreichten, weil sie keinen entsprechend hübschen Pelzkamm besaßen. Seine Schultern war schlank, Hüften und Schenkel strotzten vor Kraft wie bei den Fischern, die ihr Leben lang in den vom Wasser zerklüfteten Klippen herumkletterten, in denen sie ihre Behausungen hatten. Baltsars Schwanz war perfekt proportioniert, und der dunkle Pelz, der graumeliert war, hatte sich zu unglaublicher Buschigkeit aufgeplustert. Bei diesem Anblick beschloß ich, daß ich die Zeichnung, die ich in der ersten Nacht unserer Reise begonnen hatte, zu einem vollständigen Portrait ausarbeiten würde.
    „Es ist heute nacht gar nicht richtig kalt“, sagte ich, als mir bewußt wurde, daß Baltsar sich zu fragen begann, warum ich ihn so direkt anstarrte.
    „Im Tiefland herrscht dauernd Sommer“, erwiderte er, „oder zumindest fast. Manchmal bläst auch ein kalter Sturm aus den Bergen, doch solange der Wind vom Meer hereinweht, ist es hier unten angenehm warm.“
    „Und naß“, fügte ich hinzu. Ich seufzte, als ich an den feuchten Pelzsträhnen zwischen meinen Fingern herumzupfte. „Wir werden im Regen geboren, leben mit dem Regen, und am Ende sterben wir auch noch im Regen. Dabei würden wir sogar unsere Seelen verkaufen, um einmal in vollkommener Trockenheit zu leben.“
    Baltsar lächelte. „Die Sklaven berichten von einem Land, wo Gottesfeuer das Land trocken brennt.“
    „Gottesfeuer auf dem Land!“ rief ich mit voll erwachtem Interesse. „Wo? Bestimmt nicht im Immernachtgebirge.“ Dieses war noch nicht sonderlich gut erforscht, war aber auch nicht gänzlich unbekannt. „Die halten doch nicht etwa die Vulkane für Gottesfeuer, oder?“
    Er schaute mich an und dachte zweifellos, daß mein Interesse reichlich sonderbar war. „Die alten Sklaven behaupten, ihre Vorfahren seien irrtümlich ins Immernachtgebirge gewandert. Sie sagen, ihre wahre Heimat läge in einer trockenen Region jenseits des Immernachtgebirges.“ Er lächelte mich besserwisserisch an, was mir überhaupt nicht gefallen wollte. „Und als wäre diese Geschichte nicht schon phantastisch genug, erzählen sie weiter, daß sie, ehe sie in dieser trockenen Gegend lebten, vom Himmel gekommen sind.“
    „Nun, vielleicht stimmt das wirklich. Es paßt immerhin zu den Visionen der Tempelhüterinnen, in denen die Sklaven von den Göttern zu uns geschickt wurden.“
    Er gab dazu keinen Kommentar. Ich konnte mir schon denken, was er von den Visionen der Tempelhüter hielt.
    „Erzähl mir mehr von diesem Land des Gottesfeuers. Sagen sie auch, daß das Gottesfeuer auf dem Land brennt? Haben sie wirklich den Ofen Flammenhüters gesehen? Oder brennt das Gottesfeuer am Himmel?“
    „Am Himmel?“ Baltsar überlegte einen Moment. „Ich glaube, sie reden gar nicht davon, wo es zu finden ist – es heißt nur, daß das Feuer das Land trocken brennt. Heao, warum interessierst du dich so sehr für die Märchen der Sklaven?“
    Ich zögerte. Das Thema war ketzerisch, doch ich vertraute Baltsar vollkommen. „Die Tempelhüter behaupten, das Gottesfeuer befände sich in einem Herd, der unglaublich fern irgendwo an der Küste am Ende der Himmelsbrücke steht. Sie sagen auch, daß Flammenhüter das Feuer jede Nacht dämpft. Doch nach meinen Beobachtungen erscheint das Ätherbrennen am strandab gelegenen Ende der Himmelsbrücke kurz vor Einbruch der Nacht viel heller … als wäre das Feuer während der Zwienacht bewegt worden.“
    Baltsar schüttelte den Kopf. „Du siehst ein Wunder, das von Luftfeuchtigkeit und bestimmten Nachtwinden hervorgerufen wird.“ Er zupfte an unserer Kleidung herum, glättete die Falten, so daß die Sachen schneller trockneten. Unsere Freizeitkleidung bot vor dem feuchten Wind wenig Schutz.
    „Ich glaube nicht, daß es ein Wunder war“, äußerte ich meinen Zweifel. Ich war sicher, daß das Gottesfeuer sich am Himmel entlangbewegte und daß die Himmelsbrücke diese Wanderung vor unseren Augen verbarg. Doch ich war nicht gewillt, Baltsar von meiner Überzeugung zu erzählen, noch ihm zu verraten, daß meine Überzeugung durch ein Traumgeschenk der Göttin Klarheit untermauert wurde. „Hast du je die Frühglut im Frühling gesehen?“
    „Ja. Zweimal. Der Rand von

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