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Im Schatten des Ringes

Im Schatten des Ringes

Titel: Im Schatten des Ringes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cynthia Felice
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aufmarschieren ließ. Ich, mathematisch viel weniger begabt und vorher niemals in der Situation, mich mit langen Berechnungen herumzuschlagen, ohne etwas Konkretes als Hilfe zu haben, war mir nicht sicher, ob meine Kalkulationen fehlerlos waren. Ich hatte ernste Zweifel an den Fähigkeiten des Sklaven, und für eine lange Zeit setzte ich den Weg mit einem unguten Gefühl in der Magengegend fort, denn die Berechnungen des Sklaven und meine stimmten seltsamerweise genau überein.
    Hatten wir das Glück der Dummen, oder war Teon ein begnadeter Pistensucher? Ich konnte es nicht entscheiden. Doch bei Anbruch der Nacht gab es immer mehr Anzeichen, daß dort schon einmal Leute gegangen waren. Als wir unser Lager aufschlugen, befand es sich neben einem vielbenutzten Pfad. Wir vertrauten darauf, daß wir während der nächsten Zwienacht in der Stadt des Erobererkönigs eintreffen würden.
     
5
     
    Ich habe nie ganz begriffen, ob der kleine Hügel am Rande der Stadt, auf den Baltsar uns führte, sein eigener war, oder ob er der älteren Person gehörte, die ihn besetzt hielt. Der alte Mann war ein Verwandter – oder zumindest ein Freund – aus Baltsars Heimatdorf, denn der Kaufmann hatte ihm Zelte, Regenplanen, Fischnetze und andere Gegenstände von Wert für die Dauer seiner Abwesenheit anvertraut. Teon packte alles aus, während Baltsar Botinnen aussandte, um Kunden zu informieren und Freunde, und eine schickte er mit einem Gesuch zum Erobererkönig, in dem für mich um eine Audienz gebeten wurde. Dann wurden die Gepäckstücke auseinandergenommen, Waren wurden ausgebreitet und sortiert und aufgeschichtet, und Sklaven begannen den Erdboden aufzugraben und stießen kurz darauf auf eingeölte Zeltstangen. Ich wurde kaum beachtet. Ich holte die schönen Muscheln, die ich am Strand gefunden hatte, aus meinem Gepäck, dann verließ ich den Hügel und machte mich auf, die Stadt zu besichtigen.
    Die Zwienacht war dämmerig, und ein dichter Regen rauschte herab. Zwischen Donnerschlägen konnte ich den Klang von Tempeltrommeln hören, und diesem folgte ich ins Stadtinnere und ließ den Hügeldistrikt hinter mir. Ich drängte mich durch die Menge. Die Leute trugen vorwiegend handgewebte Kleider und hüfthohe Schlammstiefel, welche, wie ich schnell erkannte, überaus praktisch waren. Die Straßen waren nicht gepflastert oder geplankt, und an einer Stelle endete der Abfluß eines Metzgerladens sogar einfach im Straßenschlamm. Bei der ersten Gelegenheit stieg ich über zusammengepreßte Lehmstufen zu den Gehwegen hinauf, die auf den Dächern der Häuser verliefen. Dort waren die Verhältnisse nicht viel besser als unten auf der Straße, denn die Lehmziegel waren nicht getrocknet, und die Seitenwände waren außerordentlich glitschig. Durch das Loch im Dach einer Gerberei rann Wasser in Behälter, die mit Fellen gefüllt waren. Ein Stück weiter drang Rauch aus dem Boden und trieb durch die Straße. Vermutlich verlief der Räuchertunnel des Gerbers genau darunter. Offenbar hatte der Gerber noch nie etwas von Schornsteinen gehört, und seine Nachbarn hatten sich wohl auch noch nicht laut genug beklagt, als daß er von selbst darauf hätte kommen können. Die Leute, die an mir vorbeieilten, rümpften kaum ihre Nasen und waren auch nicht neugierig, wer die Fremde sein mochte, die sich tief in ihrem Cape vergrub und die Kapuze vor ihrer Nase zusammenzog. Ich sehnte mich nach den wunderbar frischen Bergwinden, denn der stinkende Qualm folgte mir ein ganzes Stück sogar über die Dächer.
    Während des letzten Wirbels der Tempeltrommeln stieg ich hinunter in eine Straße, die von Warenhäusern gesäumt war, welche aus Lehm und Stroh erbaut waren, ähnlich den Sommerhütten der Schäfer, welche ihnen manchmal als Schutz vor einem Unwetter dienen. Niemand hatte sich bisher die Mühe gemacht, herausgefallene Lehmziegel zu ersetzen oder Wände auszubessern, die der Regen dünn gespült hatte. Beinahe wäre ich am Tempel vorbeigelaufen, denn er unterschied sich in nichts von den Warenhäusern. Doch da waren fliegende Händler im schlammigen Hof und verkauften Fetische und Talismane, und ein scharfäugiger Akoluth überwachte den Handel und paßte auf, daß auch für den Tempel der angemessene Anteil abfiel.
    Ich betrat den Tempel mit der Absicht, ein oder zwei meiner prachtvollen Muscheln auf Klarheits Altar zu legen, jedoch konnte ich ihr Bild nirgendwo sehen. Die Erdgötter Zephyr, Regenspender, Flammenhüter, Ozeana und Terra waren vertreten

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