Im Schatten des Ringes
Händler. Prinz Chel kannte man auch als den Skorpion oder den Steinbruch-Prinzen und erst seit kurzem auch als den Prinzen vom See, der ein Steinbruch war. Manchmal kam es zu Mißverständnissen, weil der Zwienacht-Trommler Nachrichten vom Skorpion trommelte und der Nacht-Trommler vielleicht vom Steinbruch-Prinzen berichtete. Mein Name war jedoch bei allen Trommlern derselbe: Pfadfinderin, ein unverwechselbarer synkopierter Wirbel. Darum konnte es kein Irrtum sein, gegen wen der Zorn des Tempels sich richtete, als die Trommeln bereits in der zehnten Nacht in Folge meinen Namen riefen. Daß Rellars Trommel-Symbol des Blinden Akademers gleichzeitig mit meinem erklang, gab mir wenig Trost.
Baltsars Ohren zuckten bei dem Lärm, und er schimpfte selbst im Schlaf. Ich streckte meine Hand aus, um sie auf seine Schulter zu legen, wie ich es in unserem gemeinsamen Leben schon unzählige Male getan hatte. Wir waren Eltern einer Tochter, Mussa, die kaum älter war als ich zu dem Zeitpunkt, an dem Baltsar und ich Helfer-im-Leben wurden. Die Zwillinge waren einige Jahre später gekommen, und erst kürzlich hatten wir ein weiteres Junges bekommen, das noch nicht einmal entwöhnt war. Baltsars Lager raschelte, seine Ohren richteten sich auf das neue Geräusch aus, und dann erwachte er seufzend.
„Wann bist du hereingekommen?“ fragte er und streckte und reckte sich dabei. Sein glänzender schwarzer Pelz war schon immer graumeliert gewesen, und jedes Jahr hatte der grausilberne Schimmer an seinem Schwanz und seinen Schnurrhaaren zugenommen und verlieh ihm nun ein distinguiertes Aussehen, auf das er insgeheim stolz war.
„Kurz nachdem du dich hingelegt hast.“ Ich kuschelte mich an seinen Bauch, während er mich umarmte. Seine Zähne knabberten in meinem Nackenpelz und wanderten dann weiter zu dem weichen Flaum meiner Wange. Der Geruch nach bitterem Wurzelsirup in seinem Atem überraschte mich, und ich drehte mich um und blickte ihn an. „Kein Wunder, daß du mich nicht gehört hast. Wann hast du damit angefangen, Traumdrogen zu schlucken?“
„Gestern.“
„Hattest du wenigstens angenehme Träume?“
„Ich habe überhaupt nicht geträumt, aber wenigstens richtig geschlafen, was ich schon seit längerem nicht mehr getan habe. Anders als andere Leute, die ich kenne, kann ich mit dem hinteren Teil meines Gehirns nur dann richtig kommunizieren, wenn ich ausgeruht bin.“ Er gab mir einen liebevollen Klaps auf den Schenkel.
„Ich hatte keine Schwierigkeiten einzuschlafen“, sagte ich und legte mich wieder bequem hin. „Mein Gewissen ist rein.“
Er drückte mich fester an sich, und ich spürte deutlich, daß er wegen irgend etwas besorgt war. „Du hattest zehn Zwienächte Zeit, das Mißverständnis mit dem Tempel aufzuklären. Die Trommeln verraten mir, daß du damit keinen Erfolg gehabt hast.“
„Hast du wirklich erwartet, daß Tarana sich auf Diskussionen einläßt? Sie hat die Ächtung schließlich befohlen!“
„Ich hatte gehofft …“ begann Baltsar, verstummte jedoch.
Die Lagerstatt war dunkel und warm, und wir lagen entspannt und ruhig da, bis das Trommeln aufhörte. Baltsars Sorgen beunruhigten mich mehr als die Ächtung, denn ich war sicher, daß Rellar und ich hinsichtlich Taranas Vorwürfen der Ketzerei unschuldig waren. Zugegebenermaßen waren die Begleitumstände etwas schwierig, denn nach dem Gesetz des Tempels war Tarana die einzige Person, die sich unsere Beteuerungen anhören konnte, und das hatte sie bereits getan und sich dabei praktisch taub gestellt. Es gab jedoch auch noch andere Leute, die für uns ein Wort einlegen konnten. Einige von ihnen nahmen in der Aristokratie und in der Tempelpolitik wichtige und einflußreiche Positionen ein. Bis sie jedoch gehört wurden, mußten Rellar und ich uns zurückhalten.
Ich berührte Baltsars Hand und schlang meinen Schwanz um sein Bein, hatte eigentlich nicht beabsichtigt, ihn zu erregen, erzielte aber trotzdem diese Wirkung. Er kicherte verhalten und rutschte näher, bis sein Körper sich an meine Wirbelsäule schmiegte. Dann hörten wir die Tür in der äußeren Kammer schlagen und das Klappern von Stiefeln, die im Schutzraum ausgezogen wurden, nachdem die Zwillinge das Haus betreten hatten. Baltsar stöhnte unwillig auf, als sie nach uns riefen. Sashiems Kopf tauchte über der Schwelle zur inneren Lagerstatt auf, wo wir es uns gemütlich gemacht hatten. Sein glücklich strahlendes, kleines Gesicht war ganz naß.
„Seht mal, was wir unter der
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