Im Schatten des Ringes
Freunde“, stieß Drigal wütend hervor. Seine Augen sprühten Funken, und sein Schwanz versteifte sich.
Sashiem war von beiden der mit dem sanfteren Gemüt. Sein Schwanz hing immer noch schlaff herab. Er schaute mich mit großen traurigen Augen an, die wunderschön waren wie die seines Erzeugers. „Sie wissen, daß das Gesetz uns nicht mit einschließt.“
Ich wollte sie in die Arme nehmen, doch Baltsar kam mir zuvor, zog sie auf seinen Schoß und flüsterte ihnen aufmunternde Worte in die Ohren. „Heao würde euch niemals weh tun, solange es in ihrer Macht steht“, beteuerte er. „Es ist ihre Pflicht, in ihren Auffassungen keinen Kompromiß einzugehen, weil sie eine Akademerin ist. Könnt ihr euch vorstellen, wie es in dieser Stadt aussähe, wenn Akadem nicht auf alles die richtige Antwort wüßte? Nun, die Brücken brauchten unser Gewicht nicht zu tragen, und nachlässige Gerber könnten ihre Rauchabzüge überallhin anlegen anstatt in die Schluchten, wo die Aufwinde den stinkenden Qualm davontragen.“
Sie nickten. „Prinz Chel hätte immer noch seinen Steinbruch, wenn er auf die Akademer gehört hätte, als sie ihn warnten, er sei im Begriff, auf eine wasserführende Bodenschicht zu stoßen“, sagte Sashiem ernst. Er warf mir unter dem Arm seines Erzeugers her einen Blick zu. „Sie waren sowieso keine besonders engen Freunde.“
„Bereite dich schon darauf vor, ihnen zu vergeben, Sashiem“, riet ich ihm. „Selbst die besten Freunde können mal Fehler machen.“
„Wirst du Prinz Chel auch vergeben, daß er die Expedition abgesagt hat?“ erkundigte Drigal sich.
Der Kleine wußte genau, wo er am empfindlichsten traf. „Sie ist nicht abgesagt“, erwiderte ich. „Sie ist nur verschoben worden.“
„Es heißt, sie wäre deshalb abgesagt, weil du während deiner Ächtung nicht Pfadfinderin sein kannst.“
„Es stimmt schon, daß Chel und ich die Expedition geplant haben, jedoch kann man nur schlecht etwas absagen, was überhaupt nicht durchzuführen ist. Schon vor der Ächtung hatten wir Schwierigkeiten, die Expedition zu finanzieren.“
„Ja, aber Prinz Chel begann bereits seine Helfer zusammenzusuchen. Er hat sogar Mussa holen lassen.“
„Deine Schwester hat sich bereit erklärt, ihren Prinzen ohne Bezahlung für einige Zeit zu begleiten.“ Baltsar schloß die Augen. „Ihr Erzeuger ist wohlhabend genug, so daß sie es sich leicht erlauben kann, großzügig zu sein.“ Baltsar drückte beide zärtlich an sich. „Ich glaube, eure Echse ist soweit.“
Die Zwillinge gingen zur Feuerstelle, um das Fleisch herunterzunehmen. Ich meinte flüsternd zu Baltsar: „Das ist wirklich nicht fair.“
„Du kannst es ja beenden“, entgegnete er trocken.
„Nein, kann ich nicht“, erwiderte ich. „Ich kann es wirklich nicht. Zugegeben, Rellar und ich wurden von Taranas Opposition völlig unvorbereitet überrascht, jedoch ist es für die gesamte Gemeinde wichtig zu erkennen, daß Sklaven intelligenter sind als Tiere. Sie sind eine Spezies mit einer eigenen Geschichte und Kultur.“
„Oh, Heao“, sagte er geringschätzig. „Sie denken sich absurde Geschichten aus, um ihre eigenen Kinder zu beeindrucken und unseren Angst einzujagen. Das hat mit Geschichte und Kultur herzlich wenig zu tun.“
Ich schüttelte stur den Kopf. „Die Geschichten sind zu komplex, um vollkommen der Phantasie entsprungen zu sein.“
„Ich nehme an, daß du wirklich glaubst, sie hätten früher in riesigen Städten im Meer oder an anderen verrückten Orten gelebt und daß ihre Vorfahren fliegen und Berge mit einem Finger versetzen konnten.“
„Nicht ganz“, entgegnete ich schnippisch und legte Sema an die andere Brust an. „Aber ich frage mich, ob sie nicht die Nachkommen einer versunkenen Rasse aus prähistorischen Zeiten sind. Immerhin haben wir in unserer eigenen Geschichte nur eine ungenaue bildliche Darstellung von der Stadt der Zuflucht, und alle glauben fest daran, trotz fehlender Beweise oder wenigstens genauerer Angaben. Würde die Wahrheit bekannt, bezweifle ich, daß sie sämtliche Legenden bestätigen würde, die die Stadt behandeln … wie zum Beispiel die Geschichte, in der es heißt, wir würden dort in absoluter Harmonie leben, ohne Streit oder gar Krieg, und selbst ohne Meinungsverschiedenheiten darüber, welchem Gott gehuldigt werden soll. Auch glaube ich nicht, daß die Natur soviel Überfluß lieferte, daß die Menschen nicht arbeiten mußten, um sich ernähren zu können. Und doch wird so
Weitere Kostenlose Bücher