Im Schatten des Ringes
er mit Nachdruck. „Es hat nichts mit Geruch oder ertastbarer Beschaffenheit zu tun.“
Ich untersuchte die Fäden. Beide waren himmelsgrau oder pilzgrau, wenn man so will. Ich hielt sie dicht vor meine Nase, nicht um daran zu riechen, sondern um nachzusehen, ob der Unterschied vielleicht in den Fäden lag, im Material. Aber da war nichts. Ich bin sicher, daß sie vom selben Garnmacher gedreht worden waren. „Es sind dieselben. Sie sind sich völlig gleich“, verkündete ich. Ich musterte meinen stirnrunzelnden, verwirrten Sklaven.
„Außer in Länge und Struktur sind sie nicht gleich. Ihr Aussehen ist unterschiedlich!“
Ich schüttelte den Kopf.
Er nahm zwei weitere Fäden von meinem Knie. „Sind diese gleich?“
Ich lächelte. „Nein. Der eine ist kohlenschwarz; der andere ist etwas heller.“
„Dabei sind sie sehr ähnlich und weisen nur verschiedene Stärken desselben Farbtons auf.“
„Schön, ja …“
„Dieser hier sieht aus wie Blätter im Frühling“, erklärte er und hielt den helleren Faden hoch, „und der andere hat den Farbton von dickem Moos zum Ende des Sommers.“
„Ja“, bestätigte ich und zeigte ihm, daß ich mit ihm zufrieden war.
„Und dieser hier“, meinte er und nahm einen Faden aus meiner Hand, „sieht aus wie ein Pilz.“
Teon legte die drei Fäden auf mein anderes Knie. „Keiner sieht so aus wie der andere.“
Ich seufzte. „Pilze, Laubblätter und der Himmel haben aus praktischen Gründen auch dieselbe Farbstärke. Nur der eine, den du als moosgrau erkannt hast, unterscheidet sich von den anderen.“
Teon schüttelte hilflos den Kopf. „Es hat keinen Sinn. Ich kann Euch nicht erklären, was Ihr nicht sehen könnt. Blut ist schwarz, und Moos hat die Farbe von Kohlen.“ Er betrachtete den Wandteppich. „Es hat so hübsch angefangen, doch nun ist es ein Alptraum und keine Vision mehr.“
„Tatsächlich“, mußte ich zugeben. Ich war betroffen. So saubere Stiche. Wieviel Sorgfalt hatte ich darauf verwendet, den Ring in die Kugel einzufügen. Ich war verblüfft.
„Die Form ist gut, und die Stickereien sind perfekt, Pfadfinderin. Aber eure Farbwahl ist einfach schrecklich: eine Welt im Farbton von Blut, während die Himmelsbrücke aussieht wie der Schlamm auf den Straßen über Land.“ Er schüttelte den Kopf.
„Ich …“
„Ich weiß. Ihr begreift nicht, was ich meine, und auch die anderen Menschen erkennen es nicht. Sollen die Sklaven deshalb ignorieren, was ihre Augen sehen? Es ist sogar schwierig, so zu tun als ob.“
„Wenn du es versuchst, dann finden wir vielleicht zu einem gegenseitigen Verständnis.“
„Nein“, wehrte er ab und lachte mich jetzt an. „Wenn ich niemals Feuer gesehen hätte und Ihr wolltet es mir erklären – wie würdet Ihr vorgehen?“
Ich dachte nach. „Ich würde dir wahrscheinlich erst mal erklären, daß es heiß ist wie die Quellen in der Nähe von Chels Steinbruch.“
„Nicht schlecht“, lobte er. „Nun habe ich eine Vorstellung von etwas, das meinem Körper guttut.“
„Ich weiß, daß es Sklaven nichts ausmacht, naß zu werden, doch die Hitze eines Feuers ist zu stark, um sich darin wohl zu fühlen. Wenn es deine Haut berührt, bekäme sie Blasen wie bei einer Säure.“
„Nun begreife ich, daß es Schmerzen verursacht, stelle es mir jedoch immer noch als etwas Flüssiges vor.“
„Aber es ist nicht flüssig, sondern eher wie – Luft. Es flackert und wird mit der Luft eins. Und es ist nicht immer schmerzhaft. Es kann auch guttun.“
„Es ist also wie Wasser und dabei auch wie Luft … schmerzhaft und angenehm – sehr seltsam“, meinte er zweifelnd.
Ich begriff, was er meinte, und nickte. „Aber wenn ich dir Feuer zeigen würde, dann würdest du auch verstehen. Warum kannst du mir nicht die Unterschiede bei diesen Fäden zeigen?“
„Wenn meine Arme aus Stein wären, dann könnte ich nicht den Unterschied zwischen Wasser und Luft, Schmerz und Lust fühlen. Eure Augen sind wie Steine.“
„So kommen wir also nicht mehr weiter“, gab ich widerstrebend zu. „Aber nun verstehst du auch, warum meine Gefährten die Sklaven nicht als Menschen anerkennen.“
Teon versteifte sich, und Sema wurde gestört. „Dieses Problem kenne ich schon, so lange ich lebe“, sagte er. Er tätschelte Semas Rücken, bis sie wieder die Augen schloß. Dann schaute er mich an. „Wir bemühen uns, Eure Worte zu benutzen, doch sie gibt es nicht. Daher bedienen wir uns unserer Sprache.“
„Aber auch euer
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