Im Schatten des Ringes
anzuhalten, ehe es wirklich schlimm wird“, erklärte ich und fragte mich dabei, warum er so heimlich tat. Er nickte und seufzte. Die Korrekturen an meinen Beinwickeln waren zu diesem Zeitpunkt recht unbedeutend, doch Teon schien immer noch über die Maßen besorgt zu sein, als er sie vornahm. Als ich in Baltsars erzürntes Gesicht schaute, wußte ich warum. Teon hatte gegen seinen Herrn gefrevelt. „Er konnte es doch gar nicht wissen“, sagte ich. „Es war überdies gar nicht so schlimm.“
Baltsar machte ein zweifelndes Gesicht, oder vielleicht hob er auch nur die Augenbrauen als Warnung an mich, mich nicht in die Auseinandersetzung zwischen ihm und seinem Sklaven einzumischen.
„Wirklich, er konnte nichts bemerken“, wiederholte ich indigniert. Ich wollte ihm schon vorschlagen, daß er sich mein Bein doch selbst einmal anschauen sollte, als er sich abwandte und fortging. Ich zwinkerte Teon zu. „Ziemlich empfindlich, nicht wahr?“
„Das ist er oft“, sagte er, „wenn er für eine Sache besonders viel übrig hat … oder für eine Person.“
Ich konnte bei der Vorstellung, daß Baltsar an mir etwas gelegen sein sollte, ein Lächeln nicht verkneifen. Jedoch wollte ich nicht, daß Teon sich wegen mir irgendwie schlechter fühlte, also berührte ich seine Wange mit meinen Knöcheln, damit er erkannte, daß ich mich nicht über ihn lustig machte.
„Ihr habt einen weichen Pelz“, sagte er, „und Eure Berührung ist so sanft.“ Er drückte meine Hand, wie ein Freund es tun würde, dann straffte er sich und half mir auf. Nachdem er seine Last wieder aufgeladen hatte, gingen wir zu Baltsar.
„Jetzt fängt das schwere Stück an“, sagte der Kaufmann. „Von hier ab sind wir auf Teons Augen angewiesen.“
Teon schaute sich suchend um. „Ich brauche einen Berg, um mich orientieren zu können.“
Baltsar entließ Teon mit einem Nicken, doch ich griff nach der Hand des Sklaven. „Kannst du immer noch die Berge sehen?“
„Ja“, antwortete er, ohne aufzublicken.
Ich ließ meinen Blick rundum schweifen, doch für mich waren Himmel und Horizont eins. Ich konnte nur die Bachbetten und Mulden in der Nähe erkennen. „Wenn wir im rechten Winkel zu den Schwefelwinden weitermarschieren, dürften wir schon in Kürze das Meer erreichen.“ Mich zu Baltsar umdrehend, holte ich meine halbfertige Karte heraus. „Ich habe gehört, daß es in den tiefer gelegenen Regionen glatte Strände gibt. Könnte man dort nicht viel besser wandern als durch diese Wüste?“
Baltsar ließ es sich durch den Kopf gehen und spitzte dabei aufmerksam die Ohren. Sein Interesse war geweckt. „Ja, aber wir wüßten nicht, wo wir das Meer verlassen und landeinwärts wandern müßten, um zur Stadt zu gelangen.“
„Ich denke, daß ich die Stelle angeben kann“, ergriff Teon das Wort. „Von den Gipfeln hinter der Stadt kann ich das Meer erkennen, also müßte ich vom Meer aus auch die Berge sehen können.“
„Meinst du, du erkennst auch die richtigen?“ erkundigte Baltsar sich. „Du schaust immerhin über die flache Ebene hinweg.“
Teon nickte. „Da ist ein ganz eigentümlicher Sattelgipfel, und dann gibt es da noch einen Berg, der qualmt …“
„Wenn die Götter ihn qualmen lassen“, schränkte Baltsar ein. „Na ja, wenn du dir so sicher bist, Teon … Ich denke, schlimmstenfalls gelangen wir bis zum Fischerdorf an der Küste, ehe wir bemerken, daß wir an dem Punkt vorbeigelaufen sind, an dem wir hätten abbiegen müssen. Jedenfalls sollten wir nichts unversucht lassen, diesen Bächen und Flüssen auszuweichen.“
Teon betrachtete die Berge, dann warf er über meine Schulter einen Blick auf die Karte. „Dort könntet Ihr noch einen hohen Berg einzeichnen“, meinte er und wies auf eine Stelle der Karte, die noch weiß war, „und dort einen weiteren und hier und da …“
„Warte!“ Ich suchte in meinem Gewand nach dem Zeichenstift und markierte dann hastig die Punkte, die er mir gezeigt hatte. „Wo noch?“ fragte ich und bemühte mich, darüber hinwegzuschauen, wie Baltsar ungeduldig erst mit dem einen, dann mit dem anderen Fuß aufstampfte. Wußte ich erst einmal um die Lage weiterer Landschaftsmerkmale, dann könnte ich vielleicht sogar auf einer einzigen Karte mehrere verschiedene Wege einzeichnen.
„Teon“, warnte Baltsar.
„Es ist meine Schuld“, stieß ich hastig hervor. Ich steckte die Karte und den Stift weg. „Leih mir die Augen dieses Sklaven, und ich zeichne eine Karte allein für
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