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Im schoenen Monat Mai

Im schoenen Monat Mai

Titel: Im schoenen Monat Mai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile de Turckheim
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Aimé, man stirbt doch nicht, weil man vom Schemel fällt. Sie muss einen Herzinfarkt gehabt haben oder ...«
    »Oder was?«, fragt Sacha Milou, den es nicht so interessiert, wie sie es geschafft hat zu sterben, Hauptsache, sie ist wirklich tot.
    »Oder aber sie wurde vergiftet!«, sagt der Wachtmeister jetzt wie ein Kommissar, wobei er doch nur Wachtmeister ist, und grinst gemein zu Sacha Milou hin, der es gar nicht fassen kann, dass er verdächtigt wird, Paulette Truchon ermordet zu haben.
    Sacha hebt seinen Blick zum Himmel, genauso wie seine Schultern, die er gleich wieder mit einem Seufzer fallen lässt, zum Zeichen, dass er unschuldig ist. In dem Moment, wie wir wieder im Salon sind, hören wir, wie etwas Schweres in den Teich fällt, und ich sage, oh, haben Sie das gehört? Aber weder der Wachtmeister noch Sacha Milou haben was gehört, also schlage ich vor, ich mache einen Kaffee, so lange wir auf den Notar warten, der bestimmt bald kommt, woran uns die Standuhr erinnert hat. Niemand sagt was drauf, also mach ich keinen. Trotzdem blöd, wenn man nie gehört wird. Der Wachtmeister nimmt aus seiner schönen Anzugweste einen Umschlag und aus dem Umschlag ein gefaltetes Papier, das dem gefalteten Papier von Sacha Milou so ähnlich schaut wie ein Bruder. Dann faltet er das Papier auseinander und schaut es genau an, dabei macht er einen ganz kleinen, gefalteten Mund, wie wenn einer vor einem Teller Frikassee sitzt und ihm irgendwas dran nicht gefällt.
    »Es mangelt ihm im Formalen ... das ist etwas ungeschickt formuliert ... aber trotz allem, ein Testament bleibt ein Testament, und niemand wird einem Jäger vorwerfen, dass er kein Jurist ist.«
    Wie er das Papier auf den Frühstückstisch legt, ist alles schön entfaltet: das Papier, die Beine und seine Sorgenstirn. Der Wachtmeister ist der vertrauensseligste von den Erben. Sacha schaut Pistache mit traurigen Augen an, wie ein Verliebter, der genau weiß, dass die Liebe vorbei ist und er sie nicht zurückholen wird, indem er sie am Schwanz zieht. Pistache liegt auf dem Rücken, sein Ohr berührt den Rücken von Njama, und Njama schnurrt. Sacha bläst seine Brust auf und lässt einen Seufzer fahren.
    Der Wachtmeister redet, damit die Zeit vergeht. Er erzählt Geschichten, die extra zum Lachen gemacht sind. Ein Engländer und ein Franzose in einem Whiskyfass. Sagt der Franzose zum Engländer: Noch eine kleine Runde? Sagt der Engländer: Nicht, wenn ich was getrunken habe. Der Wachtmeister lacht, dass seine Schultern hüpfen, und fragt: Haben Sie das verstanden, Aimé? Ja, sag ich, ich habe es verstanden. Der Wachtmeister reibt sich die Hände, kaum dass er mit einer neuen Geschichte anfängt, die er lustig findet, Sacha und ich finden sie lang. Er redet laut, damit die Hirnschüssler im Ersten aufwachen und endlich die Treppe herunterkommen. Er nimmt sogar den Schürhaken vom Kamin, hält ihn wie einen Stock und klopft damit laut auf den Boden. Ekelhafter Ruß fällt auf den Teppich, was ich nachher wieder putzen muss! Ich nehme dem Wachtmeister den Schürhaken aus der Hand und sage, Achtung, zerbrechlich!, auch wenn das nicht stimmt, weil nichts ist weniger zerbrechlich wie ein sechs Kilo schwerer schmiedeeiserner Schürhaken. Die Uhr schlägt halb elf, noch immer kommt kein Schwein die Treppe herunter, und der Wachtmeister sagt, ich geh mir mal die Beine vertreten. Weil es nicht regnet, sage ich, es regnet noch nicht, aber das Gewitter ist im Anmarsch, wenn ich Sie wäre, würde ich drinbleiben. Der Wachtmeister sagt, der Himmel ist doch vollkommen klar, und geht ohne Regenschirm hinaus. Ich schaue, wohin er geht, und freue mich, dass es die richtige Richtung ist, die Straße entlang, die in den Wald abbiegt. Sacha Milou hat dem Wachtmeister besser zugehört als gedacht, während er die Croissants in sich hineingestopft hat, jetzt seufzt er und sagt: »Schrecklich, wenn man sich das vorstellt.«
    »Was ist denn so schrecklich, wenn man es sich vorstellt, Herr Milou?«
    »Wozu der Mann gezwungen war! Haben Sie nicht gehört, was er erzählt hat?«
    »Oh ja, ich habe alles gehört.«
    »Und Sie haben nichts begriffen?«
    Das hat er notwendig gehabt, dass er zu mir sagt: »Und Sie haben nichts begriffen«! Dabei hat er einen Mund gezogen, wie wenn es ihn aufregt, mit so einem Trottel zu reden.
    »Doch, ich habe es ganz genau begriffen.«
    »Wenn Sie es so genau begriffen haben, dann haben Sie ja vielleicht ungefähr verstanden, dass seine Tochter sich als ganz junges

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