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Im schoenen Monat Mai

Im schoenen Monat Mai

Titel: Im schoenen Monat Mai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile de Turckheim
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Testament. Sacha vom Blauen Engel, das bin ich! Der Blaue Engel ist nämlich der Name des charmanten Lokals in Saint-Étienne, von dem ich der Besitzer bin! Ich habe einen Haufen offizielle Urkunden, die das beweisen! Abdallah ist so höflich, dass er wartet, bis Sacha Milou ihm fertig erklärt hat, warum er der Sacha vom Blauen Engel ist, dann sagt er, ich bin der Sanitäter und will nur den Körper von Frau Truchon abholen. Sacha Milou und der Wachtmeister glotzen auf die weiße Ambulanz mit dem Flöckchen Blau, die beim Gemüsegarten parkt. Ich weiß nicht, ob es euch aufgefallen ist, dass Abdallah gesagt hat, den Körper von Frau Truchon und nicht einfach Frau Truchon, weil wenn man zu leben aufhört, bleibt nichts mehr übrig als wie der Körper, und das ist doch erstaunlich, dass wir so sehr an lebendige Körper gewöhnt sind. Abdallah geht die Trage holen, um Frau Truchon draufzulegen, und auch wenn man das schon viele Male im Fernsehen gesehen hat, ist der Moment, wo der Sanitäter ganz schnell den Reißverschluss über der Dame zuzieht, bis man von ihr nur mehr das Gesicht sieht, trotzdem ein furchtbar erschreckender Moment. »Sind Sie die Angehörigen von Frau Truchon?«, fragt Abdallah, aber er fragt eigentlich nur den Wachtmeister, weil Sacha Milou nicht den Eindruck macht, dass er irgendwem angehört.
    »Nein, der Gatte von Frau Truchon ruht noch in seinem Zimmer«, sagt der Wachtmeister.
    »Man muss ihm Bescheid geben«, sagt Abdallah.
    »Ich werde ihn wecken und ihm sagen, dass Paulette jetzt wegkommt«, sage ich.
    »Sagen Sie ihm auch, dass er im Rettungswagen mitfahren kann«, sagt Abdallah und tut so, als wenn wir per Sie sind.

12
    Wie ich die Treppe runterkomme, ist der Salon leer bis auf Katze Njama und Pistache, denen der ganze Menschenzirkus egal ist in ihrer vollkommenen Liebe, was die Pfote von Pistache um den Hals von Njama beweist. Ich sehe, wie Abdallah die Trage mit Paulette im Regen in den Rettungswagen hievt und ein paar Worte zum Wachtmeister sagt, der nickt und wieder wie ein Polizist dreinschaut, der Sanitäter und Ambulanzen gewohnt ist. Sacha Milou steht etwas abseits und dividiert und addiert sich mit einem ganz fröhlichen Mund sein Erbteil zusammen. Ich laufe durch den Dreck zum Rettungswagen und erinnere mich an den Tag, wo ich schon einmal durch den Dreck zum Rettungswagen gelaufen bin und Abdallah mich mit so einem Blick angeschaut hat, dass ich mich nicht gleich in den Brunnen stürzen soll. Er selber hat an dem Tag nicht die Zurückhaltung und den Mut wie ein Sanitäter gehabt, sondern zuckende Schultern und einen schiefen Mund und mit seinen Tränen die Regentropfen verdreifacht. Was hat sie? habe ich gefragt. Abdallah hat nur den Kopf geschüttelt, wie wenn meine Traurigkeit seine Traurigkeit noch größer macht. Er war so traurig, weil er schon so viele Jahre verknallt war. Ja, Abdallah ist in Lucette verliebt gewesen. Und dann ist Monsieur Louis neben mir gestanden, aber ich habe ihn nicht gesehen. Er hat keine Träne und keinen Blick für sie gehabt. Er war im Schlafrock, mit nackten Zehen, und nichts hat sich an ihm gerührt, außer dem Regen. Ich habe alles gefragt, was ich konnte. Ist sie von der Leiter abgerutscht? Hat sie auf dem Dach das Gleichgewicht verloren? Ist sie in den Brunnen gefallen? Hat ein Wildschwein sie gefressen? Hat eine verirrte Kugel sie getroffen? Hat ein giftiges Insekt sie gestochen? Hat eine Klapperschlange sie in die Wade gebissen? Hat eine Sternschnuppe sie erschlagen? Ist das Mondlicht dran schuld? Ist Aimé dran schuld? Nein! Nein! Nein! Nein! Nein! hat Abdallah gesagt. Aimé ist nicht dran schuld! Dabei hat er so viel geseufzt, dass es sich gar nicht mehr wie Französisch angehört hat. Lucette ist in der Schweinescheune gestorben, an einem Seil um den Hals. Das Seil war dran schuld, nicht ich, der ihr von allen Menschen auf der Welt der liebste war.
    Der Wachtmeister will wissen, warum Herr Truchon nicht bei mir ist, und ich sage drauf, er hat es nicht übers Herz gebracht, seine Paulette unter dem Reißverschluss liegen zu sehen, dann ist die Rettung weggefahren mit meinem Lieblingsmotorengeräusch, das ich aus allen Motoren heraushöre, weil es mich an die Samstage erinnert. Der Wachtmeister sagt, dass der Sanitäter Paulette Truchon ins gerichtsmedizinische Institut bringt, weil man nicht weiß, wie sie gestorben ist.
    »Was heißt, man weiß nicht, wie sie gestorben ist?«, sage ich. »Sie ist vom Schemel gefallen!«
    »Nein,

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