Im Schutz der Nacht
verstand sie nur noch Bahnhof. »Warum sollten sie dich verlieren?«
»Einen Monat, bevor du nach Trail Stop kamst, hatte ich meinen Abschied bei den Marines genommen. Ich reiste kreuz und quer durchs Land, ohne recht zu wissen, was ich jetzt anfangen sollte, und schaute dabei auch bei Creed vorbei. Er war früher mein Vorgesetzter, und wir hatten uns angefreundet. Er war vor ... tja, ich schätze, acht Jahren ausgeschieden, und ich hatte ihn seither nicht mehr gesehen, darum wollte ich ihm einen Besuch abstatten. Ich war gerade ein paar Wochen hier und schon wieder bereit zur Abreise, als du aufgetaucht bist. Ich habe dich gesehen und bin geblieben. Ganz einfach.«
Was war daran einfach? »Ich dachte, du lebst hier! Ich dachte, du würdest schon jahrelang hier wohnen!« Sie heulte beinahe auf, obwohl sie eigentlich keinen Grund dazu hatte, außer dass sie sich so unglaublich beschränkt vorkam.
»Ganz und gar nicht. Ich bin genau zwei Wochen länger hier als du.«
Sie schaute tief in seine zärtlichen Augen, erkannte, wie hart und durch und durch männlich er war, von welch tiefer Kraft er getrieben wurde, und hätte am liebsten geweint. Sie öffnete den Mund, um etwas Wichtiges und Bedeutsames zu sagen, doch die Worte, die über ihre Lippen sprudelten, waren keines von beidem.
»Aber ich habe einen Mund wie einen Entenschnabel!«
Er blinzelte und antwortete absolut ernst: »Ich mag Enten.«
29
Sie lagen auf der Matte, die Gesichter einander zugekehrt, plauderten, küssten sich und ließen das neu entdeckte Gefühl der Vertrautheit wachsen. Im Moment konnten sie rein gar nichts an der Situation in Trail Stop ändern, sie konnten nirgendwohin. Immer noch fiel Schnee, doch hier, in dieser Erdhöhle, gab es Licht, Wärme und ein Gefühl von Vollkommenheit. Unaufhörlich mussten sie sich gegenseitig berühren, beide waren von der Sehnsucht getrieben, den anderen möglichst genau kennen zu lernen. Cals forschende Finger ertasteten die Narbe auf ihrem Unterbrauch und zeichneten sie nach. »Was ist das?«
Es gab Narben, die sie vielleicht verlegen gemacht hätten, doch diese gehörte nicht dazu, denn sie kündete davon, dass sie zwei Söhne geboren hatte. Cate legte ihre Hand auf seine und spürte die beharrliche, sehnige Kraft in seinen Fingern, die sie so liebevoll berühren konnte. »Mein Kaiserschnitt. Ich habe die Jungs bis achtzehn Tage vor dem errechneten Geburtstermin ausgetragen, was bei Zwillingen ganz gut ist, aber dann setzten die Wehen ein.
Als sie schlimmer wurden, geriet der Erste, Tucker, in fötalen Stress. Seine Nabelschnur hatte sich verfangen. Der Kaiserschnitt hat ihm das Leben gerettet.«
Cal sah sie entsetzt an, obwohl diese Ereignisse über vier Jahre zurücklagen. »Aber er war okay? Du warst okay?«
»Ja und ja.« Sie lachte glucksend. »Du kennst Tucker von klein auf. Er hat vom ersten Atemzug an Vollgas gegeben.«
»Allerdings«, bestätigte Cal und machte Tuckers Krähstimme nach: »Mimi hat nicht wichtig auf mich aufgepasst!«
Cate musste lachen. »Keiner seiner wirklich großen Momente, das muss ich zugeben. Seit Derek tot ist, habe ich so schreckliche Angst, dass ich sie nicht richtig erziehe, dass ich sie nicht durchbringe. Nachdem unsere lieben Nachbarn dir >helfen< wollten, indem sie mein Haus sabotierten, hatte ich tatsächlich erwogen, meine Ausgaben zu beschränken, indem ich dir freie Kost und Logis anbiete, wenn du im Gegenzug kein Geld für deine Reparaturen verlangst.«
Er lachte ebenfalls und schüttelte den Kopf. »Das wäre genau der gleiche Deal gewesen, den ich auch bei Neenah habe. Na ja, bis auf das Essen. Das Essen ist doch bei deinem Angebot enthalten, oder?«
»Das war es, aber jetzt kenne ich die Wahrheit.« Sie küsste ihn und genoss es, das nach Lust und Laune tun zu können. »Du wirst meine Reparaturen von jetzt an sowieso gratis erledigen, oder?«
»Kommt drauf an. Ich stehe mehr auf Tauschgeschäfte.« Er schob seine Hände über ihren Hintern und drückte kurz zu, um keinen Zweifel daran zu lassen, welche Tauschgeschäfte er meinte.
Ihr kam ein eigenartiger Gedanke. »Woher kannst du eigentlich so gut reparieren? Du warst bis vor Kurzem bei den Marines.«
Er zuckte mit den Achseln. »Ich schätze, ich bin einfach geschickt. Ich habe mich an meinem siebzehnten Geburtstag freiwillig gemeldet ...«
»Mit siebzehn!« Sie war schockiert. Mit siebzehn war ... war er noch ein Baby!
»Na ja, ich hatte mit sechzehn die Highschool abgeschlossen, und
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