Im Schutz der Schatten: Roman (German Edition)
der Küche verbrachte, nahm er immer das Auto, weil er dann kaum vor Mitternacht nach Hause kam. Zum Restaurant brauchte er etwa eine Viertelstunde, Irenes Weg war ungefähr doppelt so weit. Wenn sie das Fahrrad nahm, saß sie zwanzig Minuten später an ihrem Schreibtisch. Der Heimweg war anstrengender. Nach Guldheden ging es zwei Kilometer weit steil bergauf. Irene pflegte, nachdem sie die Wohnungstür hinter sich geschlossen hatte, direkt ins Badezimmer zu gehen und sich ihrer verschwitzten Kleider zu entledigen. Sie duschte erst lange heiß und dann kurz eiskalt und war anschließend wieder munter. Fahrradfahren war das perfekte Konditionstraining, das weder Zeit noch Geld kostete. Daneben trainierte sie zwei Mal die Woche Jiu-Jitsu. Zusammengenommen hielt sie das gut in Form. Ein Nachteil war, dass man in Göteborg im Berufsverkehr als lebender Luftfilter fungierte. Sie hatte nie geraucht, aber trotzdem manchmal das Gefühl, dass ihre Lungen von Ruß und Abgasen verklebt wurden.
An diesem Nachmittag nahm Krister das Auto zum Restaurant. Montag war für gewöhnlich der ruhigste Abend, aber an diesem Tag waren sämtliche Tische reserviert. Eine größere Gesellschaft feierte mit sechsgängigem Menü und passenden Weinen. Jenny hatte ihm bei der Zusammenstellung einer vegetarischen Variante aller Gerichte geholfen. Krister war stolz auf seine Tochter und ihre Berufswahl. In Zukunft würden sicher alle Restaurants Köche beschäftigen, die vegetarische Gourmetküche beherrschten. Auf dem Gebiet hatte das Glady’s die Nase vorn.
Er begann laut und falsch vor sich hin zu singen, was keine Rolle spielte, da in der Küche Hochbe trieb herrschte und der Geräuschpegel seinen Gesang übertönte. Seine Kollegin Ingrid schnappte sich eine Flasche Pernod und ging ins Restaurant. Der Flambiertisch stand bereits bereit, und die Gäste, die Rinderfilet du Chef bestellt hatten, wirkten sehr erwartungsvoll. Krister musste seine Gesangsübungen unterbrechen, weil ihm jemand leicht auf die Schulter tippte. Es war der neue Koch Anton Fritzell. Er war sehr talentiert und besaß eine sagenhafte Begabung für Fischgerichte. Jetzt wirkte er verlegen, als er sagte:
»Entschuldige, Krister, aber ich habe ein Problem.«
»Ah ja? Und? Kann ich dir helfen?«
»Ja. Linda hat angerufen. Sie hat den Schlüssel in der Wohnung liegen lassen und steht mit den Kindern vor der verschlossenen Tür. Ich habe draußen deinen Wagen stehen sehen. Könnte ich den ausleihen, um kurz nach Hause zu fahren?«
»Natürlich kannst du den Wagen haben. Hier ist heute Abend so viel zu tun, es liegt also ganz in meinem Interesse, dass du schnell zurückkommst«, sagte Krister lächelnd.
Er bat Anton, in der Sauce zu rühren, während er in der Umkleide den Schlüssel holte. Anton wirkte erleichtert und bedankte sich, als er zwei Minuten später den Schlüsselbund entgegennahm. Er ver schwand rasch aus der Küche, ohne sich vorher umzuziehen.
Summend streckte Krister die Hand nach dem Blumentopf mit Thymian aus. In dem Moment wurde das Haus von einem ohrenbetäubenden Knall er schüttert. Die großen Fensterscheiben zum Hof splitterten, und Scherben flogen durch die Küche. Den Bruchteil einer Sekunde erstarrten alle schockiert. Als jemand in schrillen Tönen zu schreien begann, war der Bann gebrochen, und alle rannten auf die Türen zu. Krister stürzte auf jene zu, die auf den Hinterhof führte.
»Anton!«, schrie er.
Als er die schwere Eisentür aufgewuchtet hatte, rannte er auf den Hof. Sein Auto brannte lichterloh, und das Feuer hatte bereits auf den benachbarten Wagen übergegriffen. Der schwarze Rauch brannte in den Augen und in den Lungen. Einige Meter von den brennenden Autos entfernt lag Anton reglos auf der Erde.
Mit tränenerstickter Stimme murmelte Krister:
»Herrgott! Das ist meine Schuld! Meine …«
Er versuchte die Luft anzuhalten, als er sich Anton mit raschen Schritten näherte. Die Hitze war fast unerträglich, aber er zwang sich, auf die reglose Gestalt zuzugehen. Der beißende Rauch trieb ihm die Tränen in die Augen, seine Lungen brannten, als er vorsichtig versuchte zu atmen. Einige Kollegen eilten ebenfalls herbei, und gemeinsam gelang es ihnen, Anton von den Autos wegzutragen. Sie husteten und rangen nach Luft. Anton blutete aus zwei tiefen Kopfverletzungen. Ein Augenlid zuckte, und er reagierte nicht, wenn man ihn ansprach.
Nach wenigen Minuten blitzten Blaulichter im engen Hinterhof auf. Der Krankenwagen traf als Erstes ein.
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