Im Schutz der Schatten: Roman (German Edition)
Die Sanitäter stellten fest, dass Anton nicht bei Bewusstsein war. Kopfverletzungen und ein gebrochener Arm, so viel konnten sie den unter Schock stehenden Arbeitskollegen mit Sicherheit sagen, ehe sie zur Notaufnahme des Sahlgrenska Krankenhauses davonbrausten.
Im milchigen Licht der ersten Morgendämmerung betrachteten Irene und Jonny Blom die beiden ausgebrannten Autowracks. Inzwischen scheint der üble Gestank an Tatorten ja fast schon dazuzugehören, dachte Irene düster. Das jüngste Ereignis hatte sie schwer erschüttert, gleichzeitig konnte sie nicht so recht begreifen, dass dies ausgerechnet ihrer Familie zugestoßen war. Doch zunächst musste sie die Frage nach dem Warum beiseiteschieben und versuchen, sich auf den Tatort zu konzentrieren. Ein Lichtblick war, dass Anton keine lebensbedrohenden Verletzungen davongetragen hatte. Die Gehirnerschütterung war laut dem Arzt, mit dem Irene gesprochen hatte, harmlos. Der Bruch hingegen war kompliziert und musste im Laufe des Tages operiert werden. Anton würde wieder ganz gesund, das hatte der Arzt versprochen. Doch bis er wieder arbeiten konnte, vergingen sicherlich einige Wochen, und Krister hatte einen Koch weniger. Kein guter Anfang für einen frischgebackenen Restaurantbesitzer.
Jonny drehte eine Runde um die ausgebrannten Autos und gähnte. Er nickte ein paar Mal vor sich hin und wandte sich dann wieder Irene zu.
»Das lässt sich nur mit ein paar Tassen Kaffee ertragen. Übrigens: Hat Krister eine Lebensversicherung?«, fragte er.
»Nein«, erwiderte Irene erstaunt.
Seine Frage überrumpelte sie.
»Gut. Dann hast du ihm die Bombe also wahrscheinlich nicht unters Auto montiert«, erwiderte Jonny mit einem breiten Grinsen.
»Superlustig!«, meinte Irene.
Dies war wirklich nicht der richtige Zeitpunkt für Witze. Sie hatte eine schlaflose Nacht hinter sich und fühlte sich entsprechend. Und dann versuchte Jonny auch noch lustig zu sein! Nur mit sehr viel Selbstüberwindung konnte sie dem Impuls widerstehen, ihn in seinen fetten Hintern zu treten.
Er schien ihre aufflammende Wut nicht zu bemerken, drehte sich wieder zu den traurigen Autowracks um und sagte:
»Du hast also nicht die geringste Ahnung, wer das gewesen sein könnte?«
»Nein.«
»Dann müssen wir Krister fragen«, meinte Jonny.
Da sich Krister zu Hause in ihrer Wohnung be fand, schlug Irene vor, dorthin zu fahren. Sie gingen zu ihrem Wagen und fuhren nach Guldheden.
»Katarina ist im Augenblick bei ihm. Heute Nachmittag kommt Jenny, und heute Abend bin ich zu Hause. Wir wollen nicht, dass er allein ist. Zumindest heute nicht«, erklärte Irene.
»Wie geht es ihm?«
»Er sagt, dass er zurechtkommt … aber ich spüre, wie sehr ihn das mitnimmt. Er hat heute Nacht gesagt, alles sei seine Schuld. Aber er braucht doch keine Schuldgefühle zu haben, nur weil Anton sich sein Auto ausleihen wollte. Es hätte schließlich auch … ihn treffen können.«
Jetzt merkte sie selbst, wie schwer es ihr fiel, das auszusprechen. Der Gedanke war unerträglich.
Krister war anzusehen, dass er die ganze Nacht kein Auge zugetan hatte. Die durchs Küchenfenster schei nende Morgensonne beleuchtete tiefe Falten und schlaffe Tränensäcke. Er war zwar fast zehn Jahre älter als Irene, aber in diesem Augenblick dachte sie zum ersten Mal in ihrer seit fünfundzwanzig Jahren währenden Ehe, dass er alt aussah. Im nächsten Augenblick wurde sie von Liebe überwältigt, aber auch von Mitleid. Armer Krister, das war wirklich mehr, als ein Mensch aushalten konnte.
Katarina kochte eine Kanne starken Kaffee und nahm Brötchen aus dem Gefrierfach und taute sie in der Mikrowelle auf. Jonny stellte die erste Frage:
»Hat jemand gewusst, dass Anton dein Auto leihen würde?«
»Nein. Das war reiner Zufall … seine Frau rief an, weil sie sich ausgesperrt hatte. Sie hatte die Kinder dabei, und es war spät. Anton kommt immer mit dem Fahrrad zur Arbeit. Damit es schneller ging, bat er mich darum, mein Auto ausleihen zu dürfen«, antwortete Krister.
Er rieb sich fest die Augen, als versuche er wach zu bleiben, aber Irene wusste, dass er seine Konzentration aufrechterhalten wollte. Er war todmüde, konnte sich jedoch nicht entspannen. Auf einem Teller neben seiner Kaffeetasse lag ein Butterbrot, an dem er nur ein wenig geknabbert hatte.
»Man kann also davon ausgehen, dass der Sprengsatz für dich gedacht war«, stellte Jonny fest.
Irene beobachtete, wie die Gesichtsfarbe ihres ohnehin bereits bleichen Mannes
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