Im Stein
Wald zu füllen schienen. Alice stellte sich hinter einen Baum, um nicht umgerannt zu werden, und sah zu, wie sie an ihr vorbeiliefen.
»Bist du eigentlich bei Facebook?«
»Nein. Ich halte dieses Medium für gefährlich. Es zerstört unsere sozialen Strukturen. Es beginnt, die Gesellschaft zu kontrollieren. Da bin ich vielleicht etwas altmodisch. Obwohl früher einige aus unserer Branche über das Netz an sich, als es noch neu war, also Mitte der Neunziger, auch gelacht haben. Und jetzt hat jeder kleine Schmuddelpuff seine Seite. Die Werbemöglichkeiten sind natürlich enorm, früher lief alles über die Printmedien, ›Bild‹, Rotlichtführer … Wobei ›Bild‹ & Co. auch nicht zu unterschätzen sind, wir haben da nach wie vor unsere Annoncen. Die aber gleichzeitig auf unsere Webseite hinweisen. Das Ende der Printwerbung werde ich sicher nicht mehr erleben.«
»Du denkst also schon, dass es so etwas wie ein Ende der Printkultur geben wird. Was hältst du von Sexcams, ist das ein Markt, wo du dir vorstellen kannst, aktiv zu werden?«
»Wer sagt, dass ich das nicht bereits bin? Unsere Webseite, also die des Clubs, wird seit Jahren ständig weiterentwickelt. Es gibt ein Kundenforum, man kann die Damen virtuell besuchen, es gibt kleine Filme, aber nicht mit ihnen sprechen oder chatten, es gibt ein Gästeforum, wo man sich austauschen kann, auch mal Kritik äußern kann, wir sind dabei, einige spezielle Räume hier im Haus mit Sexcams auszustatten, so dass ein oder zwei Mädchen dort sitzen und auf Kundenwunsch strippen oder eine Live-Dildo-Show abliefern oder eine lesbische Performance, man glaubt nicht, wie viele Leute da mit ihren Kreditkarten …, stundenlang. Mach dies, mach das, schieb dir das da rein.«
»Nochmal zurück zu Facebook. Es gibt dort jetzt ja den sogenannten Bums-Bottom. Sind diese vielfältigen Möglichkeiten, sich Sexualpartner zu suchen, ›My dirty Hobby‹ und Co., schlecht für das Geschäft mit den Sexdienstleistungen?«
»Ich denke schon. Webcams, Pornos, YouPorn und alle diese Onaniemaschinen heizen ja die Männer eher an. Die sind dann früher in Scharen in unsere Clubs gekommen. Aber heute gibt es die vielfältigsten Möglichkeiten, sich einen Sexualpartner auf diversen Seiten zu suchen. Obwohl ich davon überzeugt bin, dass es immer und im ausreichenden Maße die Klientel geben wird, der das alles viel zu anstrengend ist. Und am Ende kann mir keiner erzählen, dass diese Formen der Sexualmaßnahmen nicht doch Kosten aufwerfen. Früher hat man ja immer wieder gehört, ach, da gehe ich mit einer essen, spendiere dann noch paar Drinks, das Taxi …, da kann ich ja gleich in ’n Puff. Das war natürlich nur so ’n dummer, salopper Spruch, aber wie das eben so ist mit den Sprüchen, die Wahrheit …«
»Entschuldige, dass ich dich unterbreche, aber du sprichst von früher. Damit kannst du ja nur eine rückwärtige Zeitspanne bis Anfang der Neunziger meinen oder die Marktmechanismen, die in der alten Bunderepublik vorherrschten und die man natürlich auch, bedingt zumindest, kennt. Also du, denke ich. Bordelle und bordellähnliche Betriebe existierten ja zu DDR-Zeiten de facto nicht.«
»Eher de jure. Wenn wir schonmal wieder dabei sind. Es gab schon ein paar Möglichkeiten, und damit meine ich nicht die berühmte Messeprostitution oder die altehrwürdige ›Storchenbar‹ oben in Rostock. Das war ja eher für die Westgeld- oder Dollar-Kundschaft. Es gab schon ein paar Kneipen, wo man wusste, da kann ich den oder den fragen, er gibt dir dann ’ne Adresse …, aber das war schon sehr vereinzelt. Das lag natürlich am System.«
»Nicht an einer gewissen Offenheit, an einer gewissen Lockerheit, was die sexuelle Kontaktaufnahme betrifft? FKK, schnell heiraten, damit’s Wohnung gibt, mal eben mit der Kollegin usw. …«
»Das wiederum lag ja auch am System. Ich glaube, dass, wenn es von Staats wegen her einige organisierte bordellähnliche Betriebe, wie du es nennst, gegeben hätte … Meine Fresse, wir reden wie Meister Kolle und Doktor Sommer …«
»Wir hatten da ja ein paar Punkte, die wir letztens nur angesprochen haben beziehungsweise zu denen ich dich …«
»Nicht so förmlich. Schieß los. Ich habe gegen eins noch einen Termin.«
»Menschenhandel.«
»Was soll das sein? Was hat das mit mir zu tun?«
»Ich weiß, dass ich da jetzt Dinge aufgreife, die der gemeine Bürger, sag ich jetzt mal, eben so permanent in der Presse liest. Wenn es um die weltweit
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