Im Sturm der Leidenschaft (German Edition)
verlangte Dom Pedro und wies Madrigal einen Platz auf einem Schemel zu. Ohne seinem Gast etwas anzubieten, füllte er seinen silbernen Becher und trank ihn in gierigen Zügen bis auf den Grund leer.
»Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll«, begann Madrigal und knetete sein Barett zwischen den Händen.
»Mit Worten sagt es sich am besten«, forderte Dom Pedro. »Los nun!«
Madrigal seufzte und strich sich mit einer gezierten Handbewegung das bereits schüttere Haar aus der hohen Stirn. Seine dünnen, blutleeren Lippen glänzten feucht und in den schmalen, fast wimpernlosen Augen glomm eine Mischung aus Häme und Furcht.
»Die Menschen sind schlecht«, jammerte Alonso Madrigal und beugte demütig die Schultern. »Nur Neid und Missgunst, wohin man auch sieht. Die, die sich gestern noch Freunde nannten, reden heute Übles übereinander. Doch so ist der Welten Lauf.«
»Komm zur Sache, Madrigal. Was die Leute reden, will ich hören.«
Wieder seufzte Madrigal. Er zappelte auf seinem Schemel hin und her, um anzudeuten, wie unangenehm ihm zu Mute war. Den Blick auf sein Barett gesenkt, murmelte er schließlich: »Mit Eurer Manneskraft, Dom Pedro, sei es schlecht bestellt, erzählt man sich. Dom Alvarez hat Sorge um die Nachkommen. Deshalb die Verlobung seiner Tochter mit Vasco da Gama. Er hat die besten Voraussetzungen: Er ist jung, gerade mal 28 Jahre alt, und schon Befehlshaber einer Flotte. Und dann die fünf Prozent. Gut möglich, dass Dom Alvarez diese Abmachung kennt. Immerhin ist er ein Vertrauter des Königs.«
Madrigal zog die Schultern in Erwartung eines Wutausbruchs zusammen und duckte sich auf dem Schemel. Doch Dom Pedro blieb ruhig. Sein Gesicht war entspannt. Sogar ein leises Lächeln umspielte seine Lippen. Ein Lächeln, dass Madrigal Angst einjagte und als kalter Schauer über seinen Rücken lief.
»An Manneskraft also mangelt es mir, erzählt man sich. Gut! Sehr gut! Dann wirst du, Madrigal, mich heute in die Hafengegend begleiten und morgen allen erzählen, wie es wirklich mit meiner Manneskraft bestellt ist.«
»Wie? Was?«
Madrigal glaubte, nicht richtig verstanden zu haben.
»Du wirst mit mir in eines der Hurenhäuser gehen. Vor deinen Augen werde ich meine Manneskraft unter Beweis stellen. Komm, steh auf, wir wollen gehen! Und wenn die Stadt nicht innerhalb von einer Woche davon überzeugt ist, dass das Feuer meiner Lenden ausreicht, halb Lissabon zu beglücken, dann, mein Freund, werde ich dich davon jagen.«
Kapitel 2
W as habt Ihr zu berichten?«
Die Stimme Dom Pedros hallte in der Hafentaverne wieder. Die Fischer und Seeleute, die Hafenarbeiter und Huren hatten sich bei seinem Eintritt in einen Nebenraum verzogen, so dass Dom Pedro allein in der Schankstube saß. Nur der Wirt wischte sich die Hände an einem dreckigen Tuch ab und rührte dann mit einem riesigen Holzlöffel in dem Kessel, der über der Feuerstelle hing. Würzige Düfte nach Suppenfleisch und Knoblauch durchdrangen den Raum, und der Bote, der eben erschöpft die Taverne erreicht hatte, sog hungrig den Geruch des Essens ein.
»Erzählt, was Ihr wisst. Anschließend könnt Ihr Euch den Bauch voll schlagen«, bestimmte Dom Pedro. Der Bursche nickte.
»Neunzehn Monate ist es her, seit Ihr mich losgeschickt habt, die Entdeckungsreise Vasco da Gamas auf dem Landweg zu verfolgen. Zuerst reiste ich von Gibraltar nach Tanger in Afrika, ritt dort den gesamten Wendekreis des Krebses durch die arabische Welt bis nach Goa in Indien, unweit von Kalikut. Dort wartete ich auf das Eintreffen der Flotte. Ein arabischer Lotse hat Vasco da Gama den Weg gewiesen, und als er in Kalikut eintraf, wurde er empfangen wie ein König. Der Zamorin, ein ehemaliger moslemischer Glücks- und Raubritter, der sich zum Herrscher über Kalikut gemacht hat, verhandelte mit Vasco da Gama. Auch seine Tochter Suleika, Prinzessin von Kalikut, war bei diesen Gesprächen dabei, deren Inhalt als streng geheim gilt.
Im August 1498 lief die Flotte, mit Gewürzen beladen, aus Kalikut aus. Vor der Küste Mombassas verlor da Gama im Januar die Sao Rafael. Sie zerschellte an einer Klippe und wurde in Brand gesteckt. Zuletzt sah ich seine Flotte im Februar am Kap der Guten Hoffnung. Bei einem gewaltigen Sturm verlor ich die Schiffe aus den Augen. Sie wurden aufs offene Meer hinausgetrieben. Das ist jetzt acht Wochen her. Wenn es Vasco da Gama gelungen sein sollte, den Sturm zu überleben, so braucht er doch noch viele Wochen, um nach Lissabon zu gelangen.
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