Im Sturm der Leidenschaft (German Edition)
Er bot ihm Erfrischungen ab, die der Europäer jedoch ablehnte.
»Höchste Eile ist geboten, Majestät. Die Sao Manuel, eine Karavelle des Königs von Portugal, ist nicht mehr weit von Eurer Küste entfernt. Doch das Schiff kommt nicht, um mit Euch Handel zu treiben. An Bord befinden sich Eure Tochter Suleika und ihr Diener Arabinda. Der Kapitän des Schiffes, Dom Pedro de Corvilhas, plant, an der Küste Eures Landes entlangzusegeln, Eure Brudervölker zu überfallen und deren Schätze zu rauben. Suleika aber soll gemeinsam mit Arabinda auf dem Sklavenmagd verkauft werden.«
Die Augen des Zamorins hatten sich bei dieser Nachricht gefährlich verdüstert. Er hatte den Besuch des Grafen Corvilhas vor über zehn Jahren nicht vergessen, erinnerte sich noch genau an den Hochmut des Europäers und an seine heimtückische, betrügerische Art, Handel mit den indischen Ländern treiben zu wollen. Damals hatte der Zamorin den Grafen aus dem Land gejagt. Jetzt war er wieder da und hatte seine Tochter in seiner Gewalt. Die Miene des Herrschers blieb regungslos und verriet nichts von den Gedanken, die hinter seiner Stirn jagten.
»Meine Tochter, sagt Ihr?«, fragte er schließlich und richtete sich ein wenig auf. »Woher wisst Ihr das, Fremder? Gab ich sie nicht Vasco da Gama, damit er sie hüte wie seine eigene Tochter? Was macht Suleika auf diesem Schiff?«
Der Reiter blickte betroffen zu Boden, bevor er erwiderte: »Vasco da Gama ist in seiner Heimat das Opfer eines bösen Komplotts geworden. Er wurde nach seiner Rückkehr gemeinsam mit Eurer Tochter in ein Verlies gesperrt und später auf sein Gut verbannt. Eines Tages kam ein Reiter mit dem Befehl des Königs, Suleika und Arabinda sollten sich auf die Sao Manuel begeben, um zurück in ihre Heimat zu kehren. Die Nachricht des Königs war echt, doch der Kapitän Dom Pedro dachte nicht daran, die Anweisungen seines Herrschers zu befolgen. Eigenmächtig setzte er Suleika auf seinem Schiff in Arrest und befahl Arabinda, sich als Lotsen zu betätigen.
Als Arabinda jedoch erfuhr, dass seiner geliebten Herrin das Schicksal einer Sklavin drohte, stahl er sich des nachts heimlich im Hafen von Mombasa vom Schiff und unterrichtete Vasco da Gama, der der Sao Manuel gefolgt war, von seinem Plan, das Schiff zu versenken, um Suleika dieses unwürdige Schicksal zu ersparen.
Vasco da Gama wiederum kämpfte um das Leben Eurer Tochter, die ihm von Euch anvertraut worden war, indem er an Bord der Sao Manuel ging, um die Ausführung dieser Pläne zu verhindern. Dom Pedro aber setzte ihn wohl daraufhin gefangen. Zumindest kehrte er nicht auf sein Schiff, die Sao Gabriel zurück. Noch immer liegt seine Karavelle wohl im Hafen von Mombasa.
Da Vasco da Gama jedoch die Bösartigkeit Kapitän Corvilhas kannte und auch durch Arabinda über dessen Eroberungspläne informiert war, schickte er mich zu Lande zu Euch, damit Ihr Vorkehrungen trefft, Suleika und Arabinda zu befreien und die Sao Manuel an der Weiterfahrt zu hindern.«
Erschöpft brach der Reiter ab. Sein Gesicht war vor Anspannung und Müdigkeit ganz grau. Er war die Tage und Nächte hindurchgeritten, immer mit der Angst im Nacken, nicht mehr rechtzeitig am Hofe des Zamorins einzutreffen. Nun machte sich die Erschöpfung bemerkbar. Er konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Er taumelte zu einem weichen Kissen, das der Herrscher von Kalikut ihm anbot. Gespannt wartete er nun auf dessen Reaktion.
Doch der Zamorin zeigte noch immer keinerlei Regung. Er winkte dem Mädchen mit der Sitar, ein neues Lied zu spielen, griff nach einem Granatapfel aus der goldenen Schale und drehte ihn in seinen Händen.
Dem Reiter schien, als wäre eine Ewigkeit vergangen, als der Zamorin schließlich mit ruhiger Stimme sagte: »Ich habe Vasco da Gama meine Tochter anvertraut. Sie ist mit ihm gegangen und sie wird mit ihm zurückkehren.«
Der Reiter sah auf. Konnte das wahr sein? Konnte ein Vater so ruhig reagieren, wenn sein einziges Kind in Lebensgefahr schwebte?
»Vasco da Gama braucht Eure Hilfe, Majestät«, wiederholte er. »Deshalb schickte er mich zu Euch.«
Der Zamorin nickte. »So denkt Ihr Christen. Wir aber denken anders. Ich kann Suleika nicht helfen. Ihr Weg ist seit dem Tag ihrer Geburt vorbestimmt. Ein Mensch sollte nicht in das Schicksal eingreifen. Es geschieht, was geschehen soll. Der Tod ist nicht das Ende. Nur der Leib vergeht, die Seele aber stirbt nie. Sie sucht sich einen neuen Körper. Das ist alles.«
Der Reiter überlegte.
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