Im Sturm der Leidenschaft (German Edition)
herum zu sitzen.«
Tränen glitzerten in ihren Augen. Suleika nahm Charlotta in den Arm. Sie spürte den aufgeregten Herzschlag der Freundin, das Beben ihres Körpers und da liefen auch ihr die Tränen über die Wangen. Es dauerte eine ganze Weile, bis sich die Frauen beruhigt hatten.
Charlotta besann sich darauf, dass es noch eine Frage war, die ihr auf dem Herzen brannte und die sie der Freundin nun stellen musste. Sie hatten nicht mehr viel Zeit. Etwas, das niemand vorauszusehen wagte, würde geschehen. Doch bevor dieses Etwas geschah, vor dem sich Charlotta fürchtete und das sie doch gleichzeitig herbeisehnte, um der quälenden Untätigkeit zu entgehen, musste sie die Antwort auf diese Frage haben.
»Suleika«, setzte sich vorsichtig an. »Ihr seid mir zu einer lieben Freundin hier auf dem Schiff geworden. Und doch gibt es etwas, das ich wissen muss. Sagt, wie sehr liebt Ihr Vasco da Gama?«
Suleika hatte schon lange mit dieser Frage gerechnet. Und ebenso lange wusste sie, dass sie Charlotta nicht belügen konnte und durfte.
»Ich will ehrlich sein, Doña Charlotta. Ich liebe Vasco da Gama mehr, als ich je einen anderen Mann geliebt habe.«
Eine Weile herrschte Schweigen nach diesen Worten, die Charlotta wie scharfe Messer ins Herz schnitten. Und doch wusste sie noch immer nicht genug.
»Wenn ... wenn das hier alles vorüber ist, wenn wir Kalikut lebend und gesund erreichen und ihr an den Hof Eures Vaters zurückkehrt, wird dann Vasco mit Euch gehen? Werdet Ihr ihn zum Manne nehmen?«
Suleika lächelte, doch es war ein sehr wehmütiges Lächeln.
»Ich würde alles dafür tun, ihn heiraten zu können«, erwiderte sie schlicht.
Charlotta schluckte. Wieder verging eine halbe Ewigkeit, bis sie den Mut fand, zu fragen: »Ihr wisst aber, Suleika, dass Vasco und ich einander versprochen waren. Auch ich liebe ihn. Ich liebe ihn noch mehr als mein Leben, bin seine Frau vor Gott. Er selbst hat es gesagt.«
»Wie könnt Ihr seine Frau vor Gott sein, da Ihr doch mit Dom Pedro verheiratet seid? Wie könnt Ihr ein altes Versprechen geltend machen wollen, wenn Ihr es doch wart, die dieses Versprechen gebrochen hat?«
»Ich bin nicht freiwillig mit Dom Pedro verheiratet worden. Und die Ehe zwischen uns wurde niemals vollzogen. Ich bin und war niemals die Frau von Pedro de Corvilhas.«
Suleika lachte spöttisch auf. »Verzeiht, dass ich Eure Worte in Zweifel ziehe, Doña Charlotta. Auch Ihr seid mir eine liebe Freundin geworden und ich möchte Euch keinesfalls kränken. Wer aber könnte eine Frau wie Euch zwingen, etwas gegen ihren Willen zu tun?«
Charlotta wollte Suleikas Blick ausweichen, doch es gelang ihr nicht.
Sie spürte, wie ihr eine leise Verachtung entgegen schlug. Es war die Verachtung der Frauen, die der Liebe mit Ehrfurcht begegneten, sie als große Gnade betrachteten und sich deren Wert stets bewusst waren, gegenüber denjenigen, für die die Liebe in erster Linie dazu taugte, dem Selbstbild zu schmeicheln.
Unbewusst versteifte sich Charlotta. In ihr brannte der Wunsch sich zu rechtfertigen. Am liebsten wollte sie Suleika mit Worten überzeugen, dass auch sie im Stande war, aus tiefsten Herzen und reiner Seele vollkommen uneigennützig zu lieben. Gleichzeitig wusste sie aber, dass jede Rechtfertigung ihre Gefühle verletzen würde. Deshalb schwieg Charlotta, deshalb erzählte sie Suleika nicht, dass sie mit ihrer Heirat Vasco da Gamas Leben und auch das Leben der beiden Inder gerettet hatte.
»Dom Pedro und ich waren uns von Kindesbeinen an versprochen«, sagte sie nur. »Nach dem Vasco da Gama in Lissabon für tot erklärt worden war, machte Corvilhas seine alten Ansprüche geltend. Nun, mein Vater ist ein Mann, der sehr viel auf Tradition, Sitte und Ehre gibt. Nachdem nicht mehr mit einer Rückkehr Vascos zu rechnen war, gab es keinen Grund mehr, gegen die Ehre der Familie zu verstoßen und Dom Pedro nicht zu heiraten.«
Sie brachte diese Worte stockend und leise hervor und wusste, dass Suleikas Verachtung nach dieser Eröffnung gewiss nicht weniger werden würde.
»Nun«, antwortete die Prinzessin von Kalikut auch hoheitsvoll. »ich habe nicht viel Ahnung von den Sitten und Gebräuchen Eures Landes, doch auch die Liebe ist eine Sache der Ehre und des Stolzes.«
»Ich weiß«, antwortete Charlotta mit dünner Stimme. »Ich weiß es besser als Ihr glaubt.«
Dann schwieg sie, mutlos und traurig. War Suleika bisher ihre Freundin gewesen und wusste Charlotta auch, dass sie sich im Notfall noch
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