Im Sturm erobert
eine kleine, respektable Mitgift zu geben. Ihre Familie hat arrangiert, daß sie und Tante Winifred -«
»Tante Winifred?«
»Lady Ruston«, erklärte Beatrice. »Tante Winifred ist schon seit mehreren Jahren verwitwet, aber früher hat sie sich in den unteren Kreisen der Gesellschaft bewegt. Sie ist die einzige in der Familie, die überhaupt irgendwelche gesellschaftlichen Verbindungen hat.«
»Arabellas Eltern haben also Lady Ruston gebeten, Eure Cousine in dieser Ballsaison in die Gesellschaft einzuführen.« »Genau.« Beatrice warf ihm einen anerkennenden Blick zu. »Meine Tante und meine Cousine wohnen bei mir. Ich habe ein kleines Stadthaus in London. Ehrlich gesagt lief alles ziemlich gut. Arabella gelang es, die Aufmerksamkeit von Lord Hazelthorpes Erben zu wecken, und Tante Winifred erwartete einen Heiratsantrag.«
»Bis Onkel Reggie in einem Bordell zusammenbrach und ihr entdecktet, daß kein Geld mehr da war, um den Rest der Saison und Arabellas Mitgift zu finanzieren.« »Eine recht ordentliche Zusammenfassung. Bis jetzt ist es uns noch gelungen, die Wahrheit über Onkel Reggies Besitzverhältnisse vor den Klatschmäulern geheimzuhalten.«
»Ich glaube, allmählich begreife ich den Umfang des Problems«, sagte Leo ruhig.
»Es liegt auf der Hand, daß wir die Situation nicht ewig verheimlichen können. Irgendwann werden die Gläubiger meines Onkels an unsere Tür klopfen. Wenn das geschieht, werden alle erfahren, daß Arabella kein Erbe mehr hat.«
»Und Ihr könnt Euch von Hazelthorpes Erben verabschieden«, schloß Leo.
Beatrice schnitt eine Grimasse. »Tante Winifred ist außer sich vor Sorge. Bis jetzt ist es uns noch gelungen, den Schein zu wahren, aber unsere Zeit läuft ab.«
»Das Desaster dräut«, murmelte Leo mit düsterer Stimme. Beatrice blieb stehen. »Es ist nicht amüsant. Meine Tante mag die Verbindung unter finanziellen Aspekten betrachten, aber ich fürchte, Arabella hat ihr Herz an den jungen Mann verloren. Sie wird am Boden zerstört sein, wenn seine Eltern ihn zwingen, sie nicht mehr zu sehen.«
Leo atmete langsam aus. »Verzeiht mir, wenn mich das Herzeleid Eurer Cousine nicht sonderlich rührt, Mrs. Poole. Meiner Erfahrung nach sind die Leidenschaften der Jungen nicht unbedingt starke Fundamente für eine Ehe.«
Zu seiner Überraschung neigte sie den Kopf. »Ihr habt ganz recht, ich stimme Euch völlig zu. Als reife Erwachsene, die schon seit einigen Jahren in der Welt unterwegs sind, haben wir natürlich eine etwas klarere Perspektive, was romantische Gefühle angeht, als eine junge Lady von neunzehn Jahren.«
Was die Sache anging, waren sie sich vollkommen einig, aber aus irgendeinem Grund irritierte Leo Beatrice’ Bereitschaft, die Macht der Leidenschaft so einfach abzutun.
»Natürlich«, murmelte er.
»Trotzdem, vom praktischen Standpunkt aus gesehen, kann man nicht abstreiten, daß eine Verbindung zwischen Arabella und Hazelthorpes Erben ausgezeichnet wäre. Und er ist wirklich ein sehr netter junger Mann.«
»Da muß ich mich auf Euer Wort verlassen«, sagte Leo. »Hat Euer Onkel sein Geld an den Spieltischen verloren?«
»Nein, Onkel Reggie galt zwar als Exzentriker, aber er war definitiv kein Spieler.« Beatrice stellte sich hinter einen Stuhl. Sie packte die Lehne mit beiden Händen und sah zu Leo am anderen Ende des Raums. »Kurz bevor er starb, hat Onkel Reggie einen sehr teuren Kauf getätigt. Es gibt in seinen persönlichen Papieren eine Aufzeichnung darüber.«
Leo beobachtete sie eindringlich. »Und dieser Kauf ruinierte ihn?«
»Soweit ich das beurteilen kann, ja.«
»Wenn Ihr mir etwa sagen wollt, daß Euer Onkel die Verbotenen Ringe der Aphrodite gekauft hat - erspart Euch das. Ich würde Euch nicht glauben.«
»Genau das will ich Euch sagen, Sir.«
Sie meinte es todernst. Leo registrierte jede Nuance ihrer Miene. Ihr klarer, direkter Blick geriet nicht ins Wanken. Er dachte an die Gerüchte, die er gehört hatte.
»Wie seid Ihr zu der Überzeugung gekommen, daß Euer Onkel die Ringe gekauft hat?«
»Durch einige Notizen, die er hinterlassen hat. Ich habe sie, weil Onkel Reggie einen sehr detaillierten Terminkalender geführt hat. Außerdem führte er auch ein Tagebuch, aber es ist verschwunden.«
»Verschwunden?«
»In der Nacht, in der er starb, brachen Diebe in sein Haus ein. Ich glaube, daß das Journal von ihnen gestohlen wurde.« Leo runzelte die Stirn. »Warum sollten gewöhnliche Einbrecher das Tagebuch eines Gentleman stehlen?
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