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Im Tal der bittersüßen Träume

Im Tal der bittersüßen Träume

Titel: Im Tal der bittersüßen Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Wer erinnert sich, daß der Himmel noch etwas anderes als eine glühende Scheibe sein kann? Madre de Dios, kommt ein Wunder über uns?
    »Das ist nicht wahr!« sagte Paddy und lehnte sich gegen das Gitter der Veranda. »Doktor, Sie Humanitäts-Rindvieh, strecken Sie mal die Hand aus! Los, tun Sie es! Was spüren Sie? Na? Jetzt glotzen Sie! Es regnet! Jetzt, in dieser Stunde regnet es! In dem Augenblick, in dem ihr mein Wasser erobert habt, läßt euer lieber Gott regnen! Welch ein Sadismus!«
    Noch waren es vereinzelte Tropfen, noch merkten es nur wenige; für sie war das Wasser zu ihren Füßen und fiel nicht aus einem Himmel, der das Land, die Häuser und die Menschen zu Staub verbrannt hatte.
    Auch Pater Felix spürte die dicken Tropfen noch nicht. Mit seinen Peitschen erreichte er das Schwimmbecken, das Kreuz stand jetzt wieder hinter ihm, von vier Männern gestützt, die Indios tobten im Wasser, tauchten und tranken, kreischten und schlugen sich, rissen sich die Kleider von den Leibern, umarmten sich und schwankten durch die dicken Strahlen des aufzischenden Springbrunnens und ließen Wasserkaskaden über ihre nackten Körper klatschen.
    Wer spürt da ein paar Tropfen aus dem Himmel?
    »Kommen Sie!« sagte Dr. Högli und stieß Paddy in den Rücken. »Wenn Sie sich infiziert haben, ist jede Minute wichtig! Ich werde sofort einen Wagen nach Nonoava schicken und Infusionsflaschen holen lassen. Ich nehme an, daß Ihre Leute die Straße nicht mehr absperren.«
    »Aber Polizei und Militär! Auf der anderen Seite!« Paddy lachte rauh. »Sie haben selbst dafür gesorgt, daß Hysterie ausgebrochen ist. Der Ruf: ›Die Cholera kommt!‹ ersetzt zehn Revolutionen! Santa Magdalena ist von der Außenwelt abgeschnitten worden!« Dr. Högli starrte Paddy entgeistert an. »Das wissen Sie und tun nichts dagegen? Sie lassen es zu, daß alle diese Menschen hier einfach geopfert werden? Noch sind die Cholerafälle Gott sei Dank vereinzelt, aber das weiß man ja draußen nicht. Warum schickt man keine Ärzte ins Tal, warum keine Medikamente, wenn man annimmt, hier sei eine Epidemie ausgebrochen? Man macht einfach den Laden dicht und läßt uns verrecken?«
    »Stellen Sie diese Fragen den Gesundheitsbehörden in Chihuahua!« Paddy hob die Schultern. »Die machen es sich einfach: Lieber ein Dorf verschwinden lassen und später die Leichen und alles, was im Tal ist, verbrennen, als die Cholera ins freie Land zu tragen. Das ist Hygiene mit dem Holzhammer.«
    »Nein! Ich frage Sie Paddy!« Dr. Högli riß ihn mit einem harten Griff zu sich herum. »Sie allein tragen die volle Verantwortung! Sie haben das Wasser abgestellt, Sie haben die Straße gesperrt, Sie haben das Telefon unterbrochen, Sie haben dafür gesorgt, daß man Santa Magdalena von der Liste streicht. Sie wollten damit Pater Felix und mich treffen. Und was haben Sie erreicht? Sie werden genau wie die Indios krepieren!«
    »Nein! Sie helfen mir, Doktor!«
    »Einen Dreck tue ich!« Dr. Högli wandte sich ab. »Helfen Sie sich selbst! Versuchen Sie, aus dem Tal zu kommen, besorgen Sie sich selbst die Infusionen und Medikamente.«
    Er ging die breite Treppe hinab und sah zu den Männern hinüber, die den toten Porelle wegtrugen. Vom Schwimmbecken lief Evita zum Haus zurück. »Sie sind wahnsinnig!« schrie sie Dr. Högli zu. »Sie benehmen sich wie die wilden Tiere! Sie wollen die Hacienda verbrennen, schreien sie. Sie wollen alle Capatazos totschlagen, sobald sie sich vollgetrunken haben! Riccardo …« Sie stürzte zu ihm, klammerte sich an ihm fest, ihr schmales, schönes Gesicht verschwand unter den nassen Haarsträhnen. »Wir müssen weg von hier, Riccardo! Wir müssen sofort weg! Sie schlagen alles zusammen!«
    Über die Treppe schwankte Paddy. »Doktor!« brüllte er. »Sie können mich nicht alleinlassen! Sie sind doch Arzt! Sie können doch keinen Kranken im Stich lassen!«
    »Sie sind nicht krank!« Dr. Högli schob Evita zur Seite.
    »Ich habe die Cholera!«
    »Ich sehe nichts! Kommen Sie wieder, wenn Sie Wasser scheißen!«
    »Doktor!« Paddy lehnte sich an die Terrassenwand. Um ihn herum begannen die Indios die Hacienda zu zerschlagen. Sie kletterten aus dem Schwimmbad, liefen in ihrer triefenden Nässe zu den Schuppen, rissen alles, was man zum Zerstören brauchen konnte – Stangen, Hämmer, Zangen, Bohlen –, an sich und stürmten damit zunächst die Nebengebäude. In das Schreien und Kreischen mischte sich das Splittern von Holz, das Klirren der zerspringenden

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