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Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition)

Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition)

Titel: Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Lobato
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fragte Benito gelassen und küsste sie auf den Kopf. »Warum schenkst du es dann nicht Fräulein Franziska?«
    Josefa zögerte nur einen Moment lang, dann hielt sie strahlend Franzi den Armreifen hin. »Hier, Franzi, für dich. Danke für alles.«
    »Aber du kannst doch etwas so Schönes nicht mir schenken!«, stieß Franzi heraus.
    »Und ob ich kann.« Vater und Tochter grinsten einander an wie zwei Verschwörer, gegen die kein Kraut gewachsen war.

    In der Sala saß bei der inzwischen wutschäumenden Doña Consuelo ein Mann von geringer Körpergröße, der zum Ausgleich einen riesigen Bauch vor sich hertrug. Er hatte keinen Hut und litt bis über den kahlen Schädel an einem sich schälenden Sonnenbrand. Als sie zu fünft zur Tür hereinströmten, sprang er augenblicklich auf seine Füße. »Guten Abend, Señor y Señoras!«, rief er und verbeugte sich. »Gouverneur Alvarez? Bitte entschuldigen Sie, dass ich mit der Tür ins Haus falle, aber es geht wahrhaftig um Leben oder Tod. Gestatten Sie, dass ich mich in aller Kürze vorstelle? Otto Bierbrauer, Völkerkundler aus München. Soeben eingetroffen aus Yucatán.«

42
    A navera?«
    »Du sollst nicht sprechen«, fuhr sie ihn an.
    »Ich muss.«
    Anavera setzte sich auf. Es war heiß in der Choza, doch das Haar in seinem Nacken stand aufrecht, und über seine Schultern rannen Schauder. Sie nahm eins der Leinentücher und deckte es ihm über den Rücken. Er fuhr zusammen, als der Stoff die Wunden berührte, doch das Schaudern ließ ein wenig nach. Sie hatte die Männer, die ihn auf das Gerüst fesseln wollten, beschimpft und mit den Fäusten bedroht. Iacinto Camay hatte ihnen schließlich gesagt, sie sollten gehen, der Wachmann solle sich vor den Eingang setzen und sie für diese Nacht allein lassen. Anavera besaß nichts, das sie ihm auf die Wunden streichen, und nichts, das sie ihm gegen die Schmerzen geben konnte. Sie konnte nur bei ihm sitzen und ihn dort, wo sein Nacken nicht verletzt war, streicheln.
    »Du musst jetzt überhaupt nicht sprechen«, sagte sie. »Dein Körper braucht Kraft. Versuch zu schlafen.«
    »Ich kann nicht. Ich muss dir etwas sagen.« Seine zerbissenen Lippen waren angeschwollen, und seine Stimme kämpfte um jedes Wort.
    »Dann sag es in drei Teufels Namen, aber nur, wenn du hinterher schläfst.«
    »Es ist schlimm, Anavera.«
    »Sag es, was immer.«
    »Ich hätte dich beinahe getötet.«
    »Das weiß ich«, sagte sie.
    »Du hättest Angst vor mir haben sollen, aber du hattest keine.«
    »Jaime«, sagte sie, »wenn du willst, dass ich dir verzeihe, mich aber nicht darum bitten kannst, dann hör auf dich zu quälen. Vergiss es.« Sie streichelte sein Haar, er fing ihre Hand und küsste sie mit seinen zersprungenen Lippen.
    »Anavera?«
    »Was noch? Du hast versprochen, dass du schläfst.« Unerklärliche Angst befiel sie. Sein Körper war stark, er würde an dreißig Peitschenhieben nicht sterben, auch wenn sein Peiniger in gnadenloser Wut zugeschlagen hatte. Dennoch wünschte sie, neben ihm wach zu bleiben und ihn festzuhalten, damit nichts und niemand ihn ihr nahm.
    »Ich kann nicht lieben, Anavera. Woher hast du nur diesen schönen Namen? Niemand heißt so. Nur du. Du hättest Camays Leuten erlauben sollen, mich totzuschlagen, meine einzige Anavera. Ich dachte, du wärst froh, dass mir endlich jemand gibt, was mir gebührt. Das, was man mit Bestien, die nicht lieben können, tut.«
    »Vielleicht können Bestien nicht lieben, weil man ihnen das Lieben ausgeprügelt hat. Was glaubst du denn, Jaime? Hinterher prügelt man es ihnen wieder ein?«
    Durch seinen Körper ging eine Bewegung. »Ich weiß es nicht«, sagte er kaum hörbar. »Ich habe nie lieben können, solange ich denken kann. Nur hassen. Alles andere in mir hat sich immer tot angefühlt.«
    Ihre Hand in seinem Nacken hielt still.
    »Hast du jetzt noch immer keine Angst vor mir?«
    »Nein, du Dummkopf«, sagte sie traurig.
    »In mir ist alles schwarz. Aber wenn ich es könnte, dann würde ich dich lieben.«
    »Ich weiß, mein Liebling«, sagte sie und fuhr fort, ihn zu streicheln. »Ich weiß, und es ist mir genug.«
    »Wenn wir hier herauskommen, sage ich dem Präsidenten, er soll deinen Verlobten freilassen. Meinen Vater hat nie gekümmert, wie ich lebte. Jetzt kümmert mich nicht, wie er starb.«
    »Tomás hat ihn nicht getötet.«
    »Wie auch immer, er kommt wieder frei.«
    »Hast du denn dazu die Macht? Regelt der Präsident mit seinen paar Freunden, wer verurteilt wird und wer

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