Im Tal der wilden Blumen (Bianca) (German Edition)
Leben?“
„Zweiundneunzig Dollar. Deshalb brauche ich diesen Job ja so dringend. Ich bin eine gute Köchin. Im Gefängnis habe ich alles gemacht, Küche, Wäscherei, Lager, Krankenabteilung und Medikamentenausgabe. Ich habe sogar das Gefängnisgelände gesäubert. Ich kann sehr hart arbeiten, Mr Brannigan. Wenn Sie im Gefängnis anrufen, wird man Ihnen versichern, dass ich dort jede Woche mehr als vierzig Stunden geschuftet habe, ohne je irgendwelche Vorschriften zu übertreten. Kennen Sie zufällig jemanden in Ihrer Gegend, der Hilfe braucht?“
Ob er jemanden kannte? Sie stand vor einem Mann, der eine Haushälterin und eine zusätzliche Pflegerin für seine Mutter benötigte, und zwar am besten schon seit gestern!
Innerlich hin- und hergerissen rieb Colt sich den Nacken. Er ertappte sich bei dem Wunsch, sie doch anzustellen. Sie war eine Kämpfernatur. Und sie sah so traurig aus …
Bevor er eine Entscheidung treffen konnte, schoss Titus quer durch die Küche, um Hank zu begrüßen, der gerade mit seiner Freundin Mandy durch die Hintertür kam. Colt war so ins Gespräch mit Geena vertieft gewesen, dass er Mandys Wagen gar nicht gehört hatte. Seit Hank sich ein Bein gebrochen hatte, fuhr sie ihn öfter herum.
„Hey, Colt“, begrüßte sie ihn lächelnd.
„Selber hey.“ Mandy war eine hübsche Blondine aus Sundance, mit der Hank schon seit der Highschoolzeit befreundet war. Beim Anblick der fremden Frau in der Küche leuchteten ihre Augen interessiert auf.
„Das sind mein Bruder Hank und seine Freundin Mandy Clark. Und das ist Geena Williams“, stellte Colt vor.
Hanks Blick fiel auf Geenas Rucksack und ihre Isolierdecke. Neugierig sah er Colt an, doch dieser war noch nicht so weit, irgendwelche Fragen zu beantworten.
„Wir sind im Wohnzimmer“, murmelte Hank nach einer Weile und ging mit Mandy und Titus auf den Fersen hinaus.
Geena griff nach ihrem Parka und zog ihn an. „Tut mir leid, dass ich mich einfach aufgedrängt habe. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich gern in einem der Trucks schlafen, die da draußen stehen. Morgen früh mache ich mich dann sofort wieder auf den Rückweg.“
Colt ignorierte ihre Bemerkung. „Sie haben einen langen Tag hinter sich. Ziehen Sie die Jacke wieder aus, Geena. Ich mache Ihnen ein Sandwich und etwas Suppe, und dann legen Sie sich im Gästezimmer hin.“
Das Beste wäre vermutlich, die Frau zurück in die Stadt zu fahren und ihr ein Hotelzimmer zu buchen, aber dazu war er viel zu erledigt. Zumindest redete er sich das ein, bevor er beschloss, ihr Mary White Birds altes Zimmer zu geben.
Geena hatte im Gefängnis ständig von einem Leben in Freiheit und der Zukunft geträumt. Doch noch nicht mal in ihren kühnsten Fantasien hätte sie sich jemanden wie Colt Brannigan ausmalen können.
Die Männer im Cattlemen’s Store hatten mit solcher Ehrfurcht von ihm gesprochen, dass sie ihn sich viel älter vorgestellt hatte, doch er schien erst Mitte dreißig zu sein. Und es gab keinerlei Hinweis auf eine Ehefrau.
Außerdem sah er einfach fantastisch aus. Sein Anblick in der hell erleuchteten Küche hatte ihr derart den Atem verschlagen, dass sie ihn nur stumm hatte anstarren können. Er war das zu Leben erwachte Klischee des großen dunklen gut aussehenden Fremden.
Und er war unglaublich menschlich. Anstatt sie von seiner Ranch zu werfen, hatte er sie ins Haus geholt und ihr etwas zu essen und ein schönes Zimmer gegeben, obwohl er wusste, dass sie gerade erst aus dem Gefängnis entlassen worden war.
Geena war noch immer ganz benommen vor Glück, als sie aus dem Badezimmer kam. Sie trug den Bademantel, den sie an der Rückseite der Tür gefunden hatte. In dem angenehmen Gefühl, sauber zu sein und gut zu duften, machte sie das Licht aus und ging zum Bett. Den ungewohnten Luxus eines eigenen Badezimmers genießend, hatte sie ein Bad genommen und geduscht. Und das hatte sie nur Colt zu verdanken.
Ihr erster Tag in Freiheit war vorbei. Es war ein unbeschreibliches Gefühl gewesen, endlich keine Gefängnismauern mehr um sich herum zu haben. Sie hatte jetzt wieder eine Zukunft. Vorbei war der endlose Albtraum. Nie mehr Gefängnisgeruch, nie mehr die Geräusche ihrer Mitinhaftierten, die husteten, weinten, tobten oder sich mit anderen Insassen stritten.
Keine klaustrophobisch enge graue Zelle mehr, keine rasselnden Gitter oder Wärter, die einem vorschrieben, wie man mit ihnen zu reden und ihnen zu antworten hatte. Kein Leben mehr in einer Enklave von Frauen,
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