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Im Westen Nichts Neues

Im Westen Nichts Neues

Titel: Im Westen Nichts Neues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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als Konserve. Aber wir sind so schwach, daß wir uns nicht weiter darüber aufregen können.
    Die Bahren sind klatschnaß, als der Zug morgens einläuft. Der Feldwebel sorgt dafür, daß wir in denselben Wagen kommen. Eine Menge Rote-Kreuz-Schwestern sind da. Kropp wird nach unten gepackt. Ich werde angehoben und soll in das Bett über ihm.
    »Um Gottes willen«, entfährt es mir plötzlich.
    »Was ist denn?« fragt die Schwester.
    Ich werfe noch einen Blick auf das Bett. Es ist mit schneeweißem Leinen bezogen, unvorstellbar sauberem Leinen, das sogar noch die Plättkniffe hat. Mein Hemd dagegen ist sechs Wochen lang nicht gewaschen worden und sehr dreckig.
    »Können Sie nicht allein hineinkriechen?« fragt die Schwester besorgt.
    »Das schon«, sagte ich schwitzend, »aber tun Sie doch erst das Bettzeug weg.«
    »Warum denn?«
    Ich komme mir wie ein Schwein vor. Da soll ich mich hineinlegen? – »Es wird ja –« Ich zögere.
    »Ein bißchen schmutzig?« fragt sie ermunternd. »Das schadet nichts, dann waschen wir es eben nachher wieder.«
    »Nee, das nicht –«, sage ich aufgeregt. Diesem Ansturm der Kultur bin ich nicht gewachsen.
    »Dafür, daß Sie draußen im Graben gelegen haben werden wir wohl noch ein Bettlaken waschen können«, fährt sie fort.
    Ich sehe sie an, sie sieht knusprig und jung aus, blank gewaschen und fein, wie alles hier, man begreift nicht daß es nicht nur für Offiziere ist, und fühlt sich unheimlich und sogar irgendwie bedroht.
    Das Weib ist trotzdem ein Folterknecht, es zwingt mich alles zu sagen. »Es ist nur –«, ich halte ein, sie muß doch verstehen, was ich meine.
    »Was denn noch?«
    »Wegen der Läuse«, brülle ich schließlich heraus.
    Sie lacht. »Die müssen auch mal gute Tage haben.«
    Nun kann es mir ja gleich sein. Ich krabbele ins Bett und decke mich zu.
    Eine Hand fingert über die Decke. Der Feldwebel. Er zieht mit den Zigarren ab.
    Nach einer Stunde merken wir, daß wir fahren.
    *
    Nachts erwache ich. Auch Kropp rührt sich. Der Zug rollt leise über die Schienen. Es ist alles noch unbegreiflich: ein Bett, ein Zug, nach Hause. Ich flüstere: »Albert!«
    »Ja –«
    »Weißt du, wo hier die Latrine ist?«
    »Ich glaube, drüben rechts die Tür.«
    »Ich werde mal sehen.« Es ist dunkel, ich taste nach dem Bettrand und will vorsichtig hinuntergleiten. Aber mein Fuß findet keinen Halt, ich gerate ins Rutschen, das Gipsbein ist keine Hilfe, und mit einem Krach liege ich auf dem Boden.
    »Verflucht«, sage ich.
    »Hast du dich gestoßen?« fragt Kropp.
    »Das könntest du doch wohl gehört haben«, knurre ich, »mein Schädel –«
    Hinten im Wagen öffnet sich die Tür. Die Schwester kommt mit Licht und sieht mich.
    »Er ist aus dem Bett gefallen –«
    Sie fühlt mir den Puls und faßt meine Stirn an. »Sie haben aber kein Fieber.«
    »Nein –«, gebe ich zu.
    »Haben Sie denn geträumt?« fragt sie.
    »So ungefähr«, weiche ich aus. Jetzt geht die Fragerei wieder los. Sie sieht mich mit ihren blanken Augen an, sauber und wunderbar ist sie, um so weniger kann ich ihr sagen, was ich will.
    Ich werde wieder nach oben gehoben. Das kann ja gut werden. Wenn sie fort ist, muß ich sofort wieder versuchen, hinunterzusteigen. Wäre sie eine alte Frau, so ginge es eher, ihr Bescheid zu sagen, aber sie ist ja ganz jung, höchstens fünfundzwanzig Jahre, es ist nichts zu machen, ich kann es ihr nicht sagen.
    Da kommt Albert mir zu Hilfe, er geniert sich nicht, er ist es ja auch schließlich nicht, den die Sache angeht. Er ruft die Schwester an. Sie dreht sich um. »Schwester, er wollte –«, aber auch Albert weiß nicht mehr, wie er sich tadellos und anständig ausdrücken soll. Unter uns draußen ist das mit einem einzigen Wort gesagt, aber hier, einer solchen Dame gegenüber – – Mit einem Male jedoch fällt ihm die Schulzeit ein, und er vollendet fließend: »Er möchte mal hinaus, Schwester.«
    »Ach so«, sagt die Schwester. »Dazu braucht er doch nicht mit seinem Gipsverband aus dem Bett zu klettern. Was wollen Sie denn haben?« wendet sie sich an mich.
    Ich bin tödlich erschrocken über diese neue Wendung, denn ich habe keine Ahnung, wie man die Dinge fachmännisch benennt. Die Schwester kommt mir zu Hilfe. »Klein oder groß?« Diese Blamage! Ich schwitze wie ein Affe und sage verlegen: »Na, also nur klein –«
    Immerhin, wenigstens noch etwas Glück.
    Ich erhalte eine Flasche. Nach einigen Stunden bin ich nicht mehr der einzige, und morgens haben wir uns

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