Im Wettbüro des Teufels
können sie mit Einsatz auf die Knochenbrecher die charakterliche
Sau rauslassen. Und dann...“
Er stockte und sah Fressner
fragend an.
„...werden sie weitergeführt“,
erklärte der, „sozusagen ins Hinterzimmer. Dort werden sie mit dem Dying-Game
bekannt gemacht. Und fast jeder will sofort wetten.“
„Unglaublich!“
„Aber einträglich!“
„Du verdienst gut?“
„Klotzig. Ich will mich
ausbreiten.“
„Ausbreiten?“
„Vergrößern. Filialen in
anderen Städten. Warum nicht in ganz Europa?“
„Wetteinnahmen sind
Staatsmonopol. Was du treibst, ist ungesetzlich.“
„Wer wird sich denn erwischen
lassen?!“
„Hm.“
„Was gefällt dir daran nicht?“
„Beim Dying-Game sehe ich einen
Schwachpunkt.“
„Nämlich?“
„Viele Senioren kränkeln. Viele
leben zwar noch, sind aber in einem bedenklichen Zustand. Wie nun, wenn sich
ein Wetter solche Informationen verschafft. Dann hat er — buchstäblich — einen
todsicheren Tip.“
„Soll der Mann doch machen!
Soll er doch belohnt werden für seine Mühe. In der Regel, Egon, fällt sowas
nicht an. Da müsste jemand zufällig einen Bekannten in den Listen finden —
einen, von dem er weiß, dass der bald den Löffel abgibt. Das macht mich nicht
arm.“
„Woher kriegst du die Listen?“
„Einwohnermeldeamt.“
„Hast da einen auf der pay
roll, auf der Gehaltsliste?“
„Natürlich bezahle ich ihn. Der
Mann verschafft mir die Listen, weiß aber nicht, wozu ich die brauche. Diese
Auflistungen müssen natürlich immer aktualisiert werden. Immer auf dem neuesten
Stand! Weil fast täglich jemand stirbt. Bei gewissen Wetterlagen können es
sogar mehrere sein. Da bin ich jetzt Experte. Plötzlicher Kälteeinbruch,
schwüle Hitze, Smog-Nebel, Ozon-Spitzen — all das kann für alte Leute Gift
sein.“
Egon sah auf die Armbanduhr und
wurde unruhig. „Tut mir leid, Leo, ich muss los. Hab’ noch ‘ne Verabredung.“
„Ich habe dir das alles nicht
zum Spaß erzählt. Ich brauche einen Mitarbeiter wie dich. Du wirst gut bezahlt.
Mein Unternehmen bringt was.“
Egon nickte, überlegte, knetete
die Hände. „Gib mir bis morgen Bedenkzeit. Ich glaube, ich werde es machen.
Aber im Moment habe ich noch Fracksausen. Das liegt an meinen
Kindheitserinnerungen. Mein Vater war angestellt in ‘nem
Bestattungsunternehmen. Manchmal musste ich ihn dort abholen. Aber immer mit
Muffengang. Als kleiner Junge hatte ich Alpträume.“
„Na und? Seitdem sind mehr als
30 Jahre vergangen!“
„Ich sag’ ja: Wahrscheinlich
werde ich ‘s machen.“
6. So gefährlich wie Kampfgas
Irene hatte drei Sorten Schnaps
durchprobiert und sich dabei bestens erholt. Tim hatte geduscht und sich
umgezogen. Oskar lag in der großräumigen Empfangsdiele auf einem Perserteppich
und hechelte. Klößchen hatte ihm — heimlich, nämlich während Tim unter dem
Sprühwasser stand — eine halbe Salami spendiert. Gabys Vierbeiner war nun satt
bis an die Lefzen.
Ich muss sie zur Bushaltestelle
bringen, dachte Tim, Irene ist doch noch etwas wacklig. Jetzt vielleicht sogar
vom Branntwein.
Der TKKG-Häuptling trat in den
creme-farbenen Salon, wo Klößchen — immer noch im Bademantel — gerade sagte:
„...haben sich also meine Eltern und Karls Eltern und Gabys Eltern für heute
Abend verabredet. Zu einem Diner der TKKG-Eltern, sozusagen. Sie werden im
,Finkmeier’ speisen. Zur Zeit ist das der Fresstempel schlechthin. Tims Mutter
kann leider nicht teilnehmen. Fünf Stunden Anreise mit dem ICE — das stünde
nicht dafür.“
„Im Finkmeier“, sagte Irene,
„gibt es den besten Rehrücken und die besten Muscheln.“
„Und das beste Schokoladenmus“,
ergänzte Klößchen. „Mein Papa ist der Gastgeber. Er lädt ein. Wir wären auch
eingeladen. Aber Tim meint, wir sollten unseren Geldgebern mal Gelegenheit
geben, unzensiert über uns zu reden. Als gäbe es da was zu reden. Ich wette,
die Dinos reden doch nur über Tagesprobleme und die gefrustete
Wirtschaftslage.“
„Trotzdem hocken wir uns nicht
dazu“, meinte Tim. „Wir gehen ins Kino und ziehen uns ein Lichtspiel rein.
Später dann — wenn Nachtisch angesagt ist — können wir immer noch dazu stoßen.“
Er wandte sich an Irene. „Für Willi geht’s ja doch nur um das
Brain-and-Body-Food. Aber Nahrungsaufnahme ist nun mal nicht alles.“
„Ohne die kann man nicht
leben“, entgegnete Klößchen.
„Eine gewisse Weile schon. Das
nennt man dann Null-Diät. Und dir täte sie gut.“
Irene lachte.
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