Im wilden Meer der Leidenschaft
angespannten Stimmung nicht. Sie war wie die Ruhe vor einem Sturm, still und ohne jede Regung. Irgendetwas lag in der Luft. In letzter Zeit war es ruhig gewesen in Santo Domingo, während man auf die nächste Flotte nach Sevilla wartete, doch vielleicht stand ein Überfall bevor.
Sie runzelte die Stirn, als sie an die letzte Schlacht dachte. Damals, als sie mit ihrem inzwischen verstorbenen Mann Juan hier in Santo Domingo ankam, hatten französische Piraten unter Jean Florin die Mündung des Hafens belagert. Doch dies war schon etliche Jahre her. Die Franzosen hatten eingesehen, dass es verlorene Mühe war, die mächtigen spanischen Flotten und ihre befestigten Häfen anzugreifen. Das konnte es also nicht sein. Aber was war es dann?
Bianca blickte zu Delores hinüber, die im Eintopf über dem Feuer rührte und vor sich hin summte. Die Magd würde es auch nicht wissen – sie war fleißig, doch hauptsächlich an Liebeleien mit Seemännern interessiert. Aber Bianca wusste, wer ihr die nötigen Auskünfte geben könnte, wer über alles unterrichtet war, was zwischen Puerto Rico und Peru geschah. Und diese Person saß gleich drüben an der Wand.
Bianca schenkte eine großzügige Portion ihres teuersten Getränks aus, eines Punschs aus Rum, Zucker und Muskat, und trug es hinüber zu Señor de Alameda, der rechten Hand des Gouverneurs de Feuonmayor.
Alameda war ein ruhiger, wachsamer Mann von ungefähr dreißig Jahren, der sich nur selten zu den anderen Gästen gesellte, aber dennoch ein regelmäßiger Besucher ihrer Taverne war. Sie vermutete, dass er eine Art Spion war und mehr in den Hafendocks als in der Festung des Gouverneurs erfuhr. Außerdem hatte er ein Techtelmechtel mit Delores.
Doch das kümmerte Bianca nicht. Sie verdiente reichlich an ihm, er verursachte keinen Ärger und gab von Zeit zu Zeit kleine Brocken wertvollen Wissens an sie weiter.
Sie stellte den Kelch vor ihn, setzte sich ihm gegenüber an den kleinen Tisch und wischte sich die Hände an ihrer Schürze ab. „Ich hoffe, der Gouverneur ist wohlauf, Señor de Alameda“, sagte sie.
Er blickte sie mit seinen unergründlichen schwarzen Augen an und setzte ein höfliches Lächeln auf. „Ah, Señora Montero. Eure Gesellschaft ist ein seltenes Vergnügen. Ja, dem Gouverneur geht es bestens. Er ist sehr beschäftigt mit der Vergrößerung der Kathedrale.“
„Hmm. Das kann es also nicht sein.“
Alameda nippte an seinem Punsch. Wie typisch spanisch er doch war! Nie ließ er sich etwas anmerken. So höflich, so vorsichtig, so gefährlich. „Was meint Ihr damit?“
„Ich habe lange genug in dieser Stadt gelebt, um zu wissen, wenn Unruhe in der Luft liegt“, sagte sie. „Und ich habe ein Interesse daran zu erfahren, was auf uns zukommt. Ich nehme deutlich mehr ein, wenn alles friedlich ist und die Geschäfte florieren.“
Alameda lächelte wehmütig. „Da sind wir uns einig, Señora. Eine friedliche Insel, auf der wir alle unseren Geschäften nachgehen können, ist das Beste für jedermann. Ohne dass unsere Kirchen und Lagerhäuser geplündert werden, ohne dass unsere Flotte es mit Piraten aufnehmen muss …“
Bianca erschauerte plötzlich trotz der warmen Brise, die durch die Fenster wehte und das Aroma der üppigen grünen Insel von den Bergen hinaus zur See trug. Sie hatte die verfaulenden Körper, die sich im Wind drehten, die noch rauchenden Ruinen der Häuser und die entweihten Ikonen nicht vergessen. Auch nicht die Berichte von Folter, Vergewaltigung und Mord. „Piraten? Ist es das?“
Alameda wandte den Blick ab. „Señora Montero, Piraten sind immer eine Gefahr in diesem Teil der Welt, da stimmt Ihr mir gewiss zu. Skrupellose Banditen, die König und Kirche bestehlen wollen. Das wisst Ihr sicher so gut wie ich, denn war nicht Euer verstorbener Mann ein Matrose? Doch Piraten sind keine unmittelbare Bedrohung für Santo Domingo. Ganz im Gegenteil.“
Die Tür des Wirtshauses flog auf, und eine laute Gruppe betrat die Taverne unter Geschrei und Gelächter. Erst einmal würde Delores sich um sie kümmern können, doch Bianca wusste, dass auch sie sich gleich wieder an die Arbeit begeben müsste. Es blieb ihr nicht mehr viel Zeit für diese Unterhaltung; sie musste herausfinden, was im Anzug war. In Santo Domingo war Wissen Macht. „Was meint Ihr damit, Señor Alameda?“, fragte sie ungeduldig.
Er nickte. Wie jeder Glücksspieler wusste er, wenn es an der Zeit war, seine Karten aufzudecken. „Wie mir berichtet wurde, ist die
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