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Im wilden Meer der Leidenschaft

Im wilden Meer der Leidenschaft

Titel: Im wilden Meer der Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: AMANDA MCCABE
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Mann aus Fleisch und Blut, wenn auch ein sehr seltsamer, sogar für die Maßstäbe von Santo Domingo.
    „Rum, por favor , Señora“, sagte er mit tiefer und rauer Stimme.
    Bianca schenkte eine großzügige Portion des dickflüssigen braunen Getränks in einen Tonbecher und schob ihn über das abgenutzte Holz des Tresens zu ihm hinüber. „Ihr seid neu hier in Santo Domingo, oder irre ich mich?“
    „Mein letzter Besuch liegt schon lange zurück“, antwortete er, nachdem er in einem Zug ausgetrunken hatte. „Damals gehörte dieses Wirtshaus Señor Valdez.“
    „Das muss in der Tat schon einige Zeit her sein. Ich habe Valdez die Schenke vor über einem Jahr abgekauft, als er zurück nach Spanien ging.“
    „Vor einem Jahr“, murmelte er, als sei dies eine unermesslich lange Zeitspanne. Vielleicht war sie das auch. Schließlich reichte oft nur ein einziger Augenblick, um ein Leben zu verändern.
    Aus irgendeinem Grund weckte diese mysteriöse Erscheinung ihre Neugier. Die meisten Menschen auf der Insel waren auf der Durchreise, kümmerten sich um ihre eigenen Angelegenheiten und waren vor irgendetwas auf der Flucht. Genau wie Bianca selbst.
    „Wurde Euer Schiff im Sturm beschädigt?“, fragte sie. Vielleicht gehörte er sogar zur Mannschaft der Calypso . Das würde erklären, warum sie ihn noch nie zuvor gesehen hatte. Eine geheimnisvolle Erscheinung von einem Geisterschiff.
    Er nickte kurz und hielt ihr seinen Becher entgegen, um ihn mit Rum auffüllen zu lassen. „Lange werde ich nicht hier sein, Señora.“
    Hier in Santo Domingo? In ihrer Taverne? In der Welt der Sterblichen? Er war offensichtlich nicht in gesprächiger Stimmung, und so schenkte sie ihm lediglich nach.
    „Oh, Señora“, schrie Delores und kam hinter den Tresen gerannt, um ihr Tablett aufzufüllen. Der Lärm war nun so stark, dass man kaum sein eigenes Wort verstehen konnte. „Die Calypso soll im Hafen sein! Ihr Kapitän hat eine riesige Piratenflotte in die Flucht geschlagen und während des Sturms eigenhändig den Großmast repariert …“
    Als Bianca sich wieder dem Tresen zuwandte, war der Mann mit der Kapuze verschwunden. Sie erhaschte noch einen letzten Blick auf ihn und sah, dass er sich an einen kleinen Tisch in einer dunklen Ecke zurückzog.
    Je weiter der Abend fortschritt, umso häufiger mussten völlig betrunkene Männer auf ihre Kameraden gestützt hinausgetragen werden, woraufhin ihre Plätze sofort von neuen durstigen Gästen eingenommen wurden. Wahrscheinlich ebenfalls Matrosen von Schiffen, die hier nach dem Sturm wieder instand gesetzt wurden. Doch ihren mysteriösen Gast sah Bianca nicht mehr, denn sie war zu sehr damit beschäftigt, Rum und Bier auszuschenken und weiteren Punsch zuzubereiten.
    Das Gejohle und betrunkene Geschrei der Männer war auf seinem Höhepunkt angelangt, als sich die Tür noch einmal öffnete. Nicht mit einem lauten Krachen, wie bei ihrer üblichen Kundschaft, die Vergessen im Alkohol suchte, sondern langsam und leise. Dennoch wandten sich alle Blicke zur Tür.
    Bianca, die gerade verschüttetes Bier vom Tresen gewischt hatte, richtete sich auf und strich sich die Haare aus dem Gesicht. Sie spürte, wie die Stimmung im Raum plötzlich wachsam wurde und der Lärm zu einem Murmeln verebbte – wie die Wellen des Meeres, bevor ein Sturm losbrach.
    Und nun kam sicherlich der Sturm, der sich schon den ganzen Abend zusammengebraut hatte.
    Sie drehte sich zur Tür. Dort zeichnete sich die Kontur eines Mannes gegen den Nachthimmel ab. Er war nicht allein – sechs oder sieben weitere Männer standen hinter ihm. Doch sie schenkte nur ihm Beachtung.
    Er war groß, wahrscheinlich größer als alle anderen Männer in der Taverne, da er den Kopf einziehen musste, als er eintrat. Wie der seltsame, halbverhüllte Mann von eben hatte auch er den sehnigen, starken Körperbau eines Mannes, der daran gewöhnt war, sich auf einem schaukelnden Schiffsdeck zu bewegen und schwankende Takelagen hinaufzuklettern. Sein muskulöser Oberkörper und seine Beine zeichneten sich unter seiner schwarzen Lederweste und seiner engen Hose in einem Paar hoher, abgenutzter schwarzer Lederstiefel ab. Die hochgeschlagenen Ärmel seines weißen Hemds enthüllten starke, gebräunte Unterarme. Er musste ein Mann der Tat sein, ein Mann, der dem Meer und all seinen Gefahren trotzte.
    Sein von der Sonne gebleichtes hellbraunes Haar fiel ihm wie ein gerader Vorhang bis zu den Schultern und war mit einem schwarzen Seidenband aus dem

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