Im Zauber der Gefuehle
stellte es ins Regal zurück. Dann goss er sich einen weiteren Brandy ein, den er in einem Zug leerte, ohne das exquisite Aroma zu schmecken.
Wie versprochen kehrte Mrs. Bradshaw binnen kurzer Zeit zurück. Sie stand im Türrahmen und trug nun einen hauchdünnen Morgenmantel mit Spitzenbesatz, dessen Ärmel wie bei einem mittelalterlichen Gewand spitz zuliefen. Das Gewand aus weißer Seide betonte die festen Knospen ihrer großen Brüste und ließ selbst den Schatten dunklen Haars zwischen ihren Schenkeln erahnen. Die Madame verfügte über einen prachtvollen Körper, und sie wusste es. Ein Knie hatte sie leicht nach vorne gestellt, sodass es durch die Öffnung ihres Morgenmantels ragte und Einblick auf die lange, geschmeidige Linie ihres Beines gewährte. Ihr flammendes Haar fiel ihr über Schultern und Rücken, was sie jünger und weiblicher wirken ließ.
Nick erschauerte lustvoll und gewahrte, wie sich sein Brustkorb erregt hob und senkte.
»Ich möchte betonen, dass ich sehr wählerisch bin, was meine Liebhaber betrifft.« Die Madame bedeutete ihm, näher zu kommen. »Ein Talent wie das meinige sollte nicht leichtfertig vergeudet werden. Man wirft keine Perlen vor die Säue.«
»Warum dann ich?«, wollte Nick mit heiserer Stimme wissen. Er trat näher, nahe genug um festzustellen, dass sie kein Parfüm aufgelegt hatte. Sie roch nach Seife und sauberer Haut; ein Duft, der weit erregender war als Jasmin oder Rosen.
»Es war die Art, wie du mich berührt hast. Instinktiv fandest du die empfindlichsten Stellen meiner Hand ... die Mitte der Handinnenfläche und die Innenseite der Fingergelenke. Nur wenige Männer besitzen soviel Feingefühl.«
Statt sich geschmeichelt zu fühlen, spürte Nick eine Welle der Panik in sich aufsteigen. Die Madame stellte hohe Erwartungen an ihn - Erwartungen, die er ohne Zweifel enttäuschen würde. Er ließ sich nichts anmerken, doch sein Herz sank, als sie ihn in das warme, vom Schein des Kaminfeuers erleuchtete Schlafzimmer zog. »Mrs. Bradshaw«, sagte er peinlich berührt, während sie sich dem Bett näherten, »ich sollte Euch vorher sagen ...«
»Gemma«, flüsterte sie.
»Gemma«, wiederholte er, doch jeder Gedanke, den er gefasst hatte, zerbarst, als sie ihm das Jackett von den Schultern schob und ihm dabei half, sich ganz auszuziehen.
Im nächsten Moment löste die Madame den Knoten seiner schweißdurchtränkten Krawatte und lächelte ihm ins gerötete Gesicht. »Du zitterst wie ein dreizehnjähriger Schuljunge. Fürchtet sich der berüchtigte Mr. Gentry so sehr davor, mit der berühmten Mrs. Bradshaw ins Bett zu gehen? Von einem solchen Mann von Welt hätte ich das nicht erwartet. In deinem Alter bist du bestimmt keine Jungfrau mehr mit deinen ... dreiundzwanzig Jahren?«
»Vierundzwanzig.« Innerlich starb er tausend Tode bei dem Gedanken, dass es ihm niemals gelingen würde, ihr vorzuspielen, er sei ein erfahrener Liebhaber. Er musste schlucken, bevor er heiser ansetzte, »ich habe es noch nie getan.«
Sie hob die roten Brauen. »Noch nie ein Bordell besucht?«
Irgendwie gelang es ihm, seiner schmerzenden Kehle die Worte zu entlocken. »Noch nie mit einer Frau geschlafen.«
Gemma verzog keine Miene, doch er konnte ihr Erstaunen förmlich spüren. Nach einer langen, diplomatischen Pause fragte sie taktvoll. »Dann warst du also mit anderen Männern intim?«
Nick schüttelte den Kopf, den Blick starr auf das Muster der Tapete gerichtet. Das tiefe Schweigen, das sich über sie gesenkt hatte, wurde nur von dem Trommeln in seinen Ohren unterbrochen.
Die Neugier der Madame war beinahe greifbar, während sie die kleine, hölzerne Treppe erklomm, die man ans Bett gerückt hatte, und auf die Matratze stieg. Langsam lehnte sie sich zurück, bis sie entspannt und katzenhaft auf der Seite lag. Ihr Erfahrungsreichtum, was das männliche Geschlecht betraf, sagte ihr, dass sie besser schwieg und geduldig abwartete.
Obwohl Nick versuchte, möglichst nüchtern zu klingen, schlich sich ein verräterisches Zittern in seine Stimme. »Als ich vierzehn Jahre alt war, wurde ich zu zehn Monaten auf einem Gefangenenschiff verurteilt.«
Gemmas Gesichtsausdruck verriet ihm, dass sie sofort verstand. Die erbärmlichen Zustände auf den Schiffen und die Tatsache, dass man Männer mit Jungen in eine große Zelle einsperrte, waren kein Geheimnis. »Die Männer auf dem Schiff bedrängten dich natürlich«, sagte sie in neutralem Tonfall. »Hat es einer von ihnen geschafft?«
»Nein, aber
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