Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)
machte sich Sorgen um Russland, genau wie sein Boss. »Was ist passiert?«
»Nichts Großes. Man hat Sergei Nikolaiewitsch umzubringen versucht.«
Wie eine Eule fuhr Goodley mit dem Kopf herum. »Was? «
»Sie haben richtig gehört, Ben. Aber die Attentäter haben den falschen Wagen erwischt. Mit einer Panzerfaust. Und jemanden dabei ins Jenseits befördert, der ebenfalls zu unseren Bekannten zählt … vielmehr zählte«, korrigierte sich Roberts.
»Von Anfang an, bitte.«
»Peggy, legen Sie das Video ein«, verlangte Roberts von der Wache und machte dabei eine theatralische Armbewegung.
»Au weia!«, entfuhr es Goodley wenig später. »Und wer war’s in Wirklichkeit?«
»Stellen Sie sich vor: Gregori Filipowitsch Awseijenko.«
»Kenn ich nicht«, sagte Goodley.
»Hier.« Die Wache reichte ihm einen dünnen Aktenordner. »Das haben wir über ihn aus der Zeit, als er noch beim KGB war. Ein richtiges Schätzchen«, kommentierte sie im neutralen Ton des Abscheus, wie ihn nur eine Frau treffen kann.
»Rasputin?«, sagte Goodley und überflog die erste Seite. »Ja, von dem habe ich irgendwann schon mal gehört.«
»Auch der Boss, da bin ich sicher.«
»Das werde ich in zwei Stunden wissen«, rechnete sich Goodley aus. »Was ist von Station Moskau zu hören?«
»Der Leiter der Station ist auf einer Handelskonferenz in St. Petersburg. Da lässt er sich sehen, um seine Tarnung zu pflegen. Uns hat sein Stellvertreter informiert. Wir gehen zurzeit noch von zwei Annahmen aus: Entweder hat sich Awseijenko bei der russischen Mafia Feinde gemacht oder Golowko sollte dran glauben und man hat den falschen Wagen aufs Korn genommen. Genaueres lässt sich momentan noch nicht sagen.« Worauf das amtsübliche Achselzucken folgte.
»Wer würde denn Golowko ausschalten wollen?«
»Deren Mafia vielleicht. Da hat sich jemand eine Panzerfaust beschafft, und die bekommt man nicht in jedem Laden, oder? Also ist zu vermuten, dass jemand aus der Unterwelt hinter dem Anschlag steckt. Aber wer war das eigentliche Ziel? Awseijenko hat bestimmt nicht nur Freunde gehabt. Für Golowko trifft jedoch das Gleiche zu.« Wieder zuckte Peggy Hunter mit den Achseln. »Es darf gesetzt werden.«
»Mit diesen Informationen wird sich der Boss nicht begnügen«, warnte Goodley.
»Fürs Erste bleibt ihm nichts anderes übrig«, erwiderte sie. »Im Augenblick wissen die Russen selbst nicht mehr.«
»Können wir irgendwie Einblick in deren Ermittlungen nehmen?«
»Der Rechtsattaché Mike Reilly hat anscheinend einen guten Draht zu den Bullen. Einigen von ihnen hat er einen Studienplatz zur Weiterbildung auf der National Academy des FBI bei Quantico beschafft.«
»Vielleicht kann ihn das FBI dazu bewegen, ein bisschen für uns zu schnüffeln.«
Wieder zuckte Mrs. Hunter mit den Schultern. »Man kann’s ja auf einen Versuch ankommen lassen. Schlimmstenfalls bekommen wir ein Nein zu hören. Und wir haben ja schließlich auch noch ein paar Leute vor Ort.«
Goodley nickte. »Okay, ich werde mich darum kümmern.« Er stand auf. »Tja«, bemerkte er auf dem Weg nach draußen, »der Boss wird diesmal nicht darüber maulen können, wie langweilig es in der Welt geworden ist.« Mit dem CNN-Video in der Hand kehrte er zu seinem Auto zurück.
Die Sonne ging gerade auf. Der Verkehr auf dem George Washington Parkway nahm um all die emsigen Frühaufsteher zu, die zur Arbeit drängten. Wahrscheinlich vor allem Leute aus dem Pentagon, dachte Goodley, als er auf der Key Bridge Teddy Roosevelt Island passierte. Der Potomac war ruhig und glatt, fast wie Öl, wie ein Mühlenteich. Die Außentemperatur lag, wie er auf dem Armaturenbrett ablesen konnte, bei sieben Grad. Angesagt waren für heute bis zu 15 Grad, leichte Bewölkung und mäßige Winde. Angenehmes Spätherbstwetter. Weniger angenehm war, dass Goodley kaum aus seinem Büro kommen würde.
Im Weißen Haus war schon viel Betrieb, wie er von der Einfahrt aus sah. Als er auf den für ihn reservierten Parkplatz einschwenkte, hob gerade der Blackhawk-Hubschrauber ab, und vor dem Westeingang formierte sich eine Motorradeskorte. Unwillkürlich warf Goodley einen Blick auf die Uhr. Nein, zu spät war er nicht. Er stieg aus, nahm seine Unterlagen und die Video-Kassette unter den Arm und eilte ins Haus.
»Guten Morgen, Dr. Goodley«, grüßte ein uniformierter Sicherheitsbeamter.
»Hallo, Chuck.« Ob zum Personal gehörig oder nicht, hier musste jeder durch die Detektorschranke. Unterlagen und Kassette wurden
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