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Im Zug (German Edition)

Im Zug (German Edition)

Titel: Im Zug (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Lammers
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eines russischen Historikerkollegen, der einmal für Recherchen in Ulan-Bator nicht das Flugzeug benutzt hatte, sondern – ganz unverständlicher für sie – zeitraubend mit der transsibirischen Eisenbahn gefahren war.
    „Es ist wunderbar, Helena “, hatte Alexej geschwärmt, „glaub mir nur. Wenn du es einmal selbst versucht hast, wirst du niemals mehr anders reisen wollen …“
    Alexej neigte stets dazu, ihren Namen auf den griechischen Ursprung zurückzuführen, und manchmal fühlte Helen sich in seiner Nähe seltsam schwach … als würde Alexej sie gleichsam wie die einstmals schönste Frau der Welt, die den Trojanischen Krieg entfesselt hatte, in die Ferne entführen wollen. Das hatte Alexej aber nie gemacht. „Man ist endlose Zeit unterwegs, und am besten ist es, du nimmst gleich einen Nachtwagen und eine liebreizende Frau mit dir. Wenn du dann ausruhst und die Vorhänge aufziehst, siehst du draußen die weißen Weiten der Tundra vorbeiziehen und kannst es genießen, das kühle Licht des Mondes auf den warmen, anschmiegsamen Formen deines heißblütigen Kätzchens zu betrachten … und dann kann man sich wieder in den Liebeskampf stürzen, wieder und wieder … es ist fürwahr mehr als genug Zeit vorhanden, alle Zeit der Welt …“
    „Das hast du öfter gemacht, hm?“, hatte sie ihn geneckt, seltsam nervös geworden.
    Der bärengestaltige Alexej, der eigentlich weniger einem Historiker als einem Holzfäller glich und auch immer mit einem karierten Holzfällerhemd zu Tagungen aufgetaucht war, kommentierte diese Bemerkung einst nur mit seinem dröhnenden Gelächter. „Natürlich. Aber ich versichere dir – wie bei den Chinesen, deren Zugfahrten bisweilen Tage dauern, ist eine Fahrt mit der Transsib etwas Unvergleichliches. In England fand ich es immer bedauerlich, dass jede Reise so schnell ihr Ende fand. Es ist erstaunlich, festzustellen, dass man in einem so engen Land doch so weitläufig denken und forschen kann, wie ihr es in England tut. Bei uns in Russland liegt die Weite im Blut, wir haben immer viel Zeit …“
    Viel Zeit.
    ‚Nun ja, das ist nicht gerade das, was ich jetzt habe‘, dachte Helen beunruhigt.
    Sie hatte noch immer die Augen geschlossen und den Kopf gegen die Wand zwischen den Fenstern gelegt. Die Historikerin spürte die rhythmischen Rucke der Zugwände, wenn die Waggons über holprige Bahnschwellen rasten. Es war ein wenig, als würde das Fahrzeug jedes Mal einen schmerzhaften Schlag empfangen, auf den es nicht vorbereitet war.
    Vergebens bemühte sich Helen, ihren wirren Verstand zu klären, eine Struktur in die bestürzenden Einzelbeobachtungen zu bringen, die sie verunsicherten. Methode, hatte ihr Lehrer, Professor Matthew Iversen immer gesagt, war das beste Mittel, wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzukehren, wenn man aus irgendwelchen Gründen den gesicherten Grund verloren hatte – und das mochte sowohl bei überreichlichen Quellenbeständen in Archiven der Fall sein, wo man den roten Faden der Ermittlungen nicht mehr zu sehen vermochte als auch vielleicht bei solchen obskuren, unheimlicher werdenden Bahnfahrten.
    Also: die Fakten! Was waren die Fakten? Und was waren die sich daraus ergebenden Fragen?
    Eine Uhr, die immerzu dieselbe Uhrzeit anzeigte, selbst wenn man sie aufzog? Die also gleich wieder stehen blieb, sobald man wegschaute? Unmöglich.
    Ein Zug, der nicht endete? Unmöglich.
    Eine Fahrtstrecke, die offensichtlich auch andauerte, gegen jede Vernunft? Unmöglich.
    „Ruhe. Du musst ruhig bleiben, Helen“, ermahnte sie sich. Aber ihre Stimme zitterte. Die Britin fühlte die nagende Hysterie dicht unter der Oberfläche ihres Denkens. Diese Einstellung war absolut ungesund! Das war vollkommen klar, dennoch … dennoch machte diese Umgebung, die wahnwitzige Normalität der Umgebung das klare, kühle Denken nicht eben einfacher. Hatte sie vorhin nicht völlig anders darüber gedacht und die Normalität als beruhigend empfunden? Sehr witzig!
    „Für das alles muss es eine logische Erklärung geben. Vielleicht träume ich noch und wache gleich auf.“
    Das schien das einzig Akzeptable zu sein. Es gab nur einen einzigen Schönheitsfehler: der „Traum“ wies zu viele Details auf. Er war zu perfekt .
    Sie kniff sich in den Arm, fühlte den Schmerz, doch sonst änderte sich nichts. Na ja, das war auch nicht richtig zu erwarten gewesen. Also offensichtlich kein Traum. Die Lösung wäre wohl zu simpel gewesen.
    „Logisch bleiben“, murmelte Helen

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