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Imagica

Imagica

Titel: Imagica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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gekommen?« fragte Vanessa sofort.
    »Nein«, antwortete Klein. »Ich schlage vor, Sie genehmigen sich noch einen Drink und wandern ein wenig zwischen den Rosenstöcken umher.«
    Verachtung erklang in diesen Worten, aber Vanessa achtete nicht darauf und ging geradewegs zur Champagnerflasche, als Klein den beiden Fremden Judith vorstellte. Der eine hieß Duncan Skeet: ein junger Mann mit schütterem Haar und Sonnenbrille.
    »Ein Maler«, erläuterte Chester. »Besser gesagt: jemand, der fremde Pinsel schwingt. Zum Beispiel die von Modigliani, Corot, Gauguin...«
    Jude wußte, was Klein meinte: Fälschungen. »Das ist doch illegal, oder?«
    »Nur dann, wenn man es verschweigt«, erwiderte Chester.
    Diese Bemerkung veranlaßte den zweiten Mann zu einem lauten Lachen. Er hatte einen dichten Schnurrbart, sprach mit einem starken Akzent und hieß Luis.
    »Er ist kein Maler«, fügte Klein hinzu. »Zumindest keiner mit hochgesteckten Zielen. Was sind Sie eigentlich, Luis?«
    »Vielleicht ein Lotophage, ein Träumer?« entgegnete Luis.
    Judith hatte gleich zu Anfang einen süßen Duft wahrgenommen und vermutet, daß er von einigen nahen Blüten stammte. Jetzt führte sie ihn auf das Rasierwasser dieses Mannes zurück.
    »Darauf trinke ich.« Klein geleitete Jude zum letzten Gast.
    910

    Sie glaubte, das Gesicht der Frau zu kennen, konnte es aber zunächst nicht mit einem Namen in Verbindung bringen, bis Klein ihn nannte: Simone. Daraufhin erinnerte sich Judith: Sie hatte bei Clems und Taylors Weihnachtsfeier mit ihr gesprochen, und anschließend war Simone losgezogen, um sich verführen zu lassen. Klein wandte sich von den beiden Frauen ab und kehrte ins Haus zurück, um noch eine Flasche Champagner zu holen.
    »Wir haben uns bei der Weihnachtsparty kennengelernt«, sagte Simone. »Ich weiß nicht, ob Sie sich erinnern...«
    »Natürlich.«
    »Mein Haar ist jetzt wesentlich kürzer, und viele meiner Freunde erkennen mich gar nicht mehr.«
    »Die neue Frisur steht Ihnen gut.«
    »Klein meint, ich hätte das abgeschnittene lange Haar behalten und in Schmuck verwandeln sollen. Offenbar waren Haarbroschen um die Jahrhundertwende sehr beliebt.«
    »Nur als Memento mori«, erwiderte Judith. Und als sie Simones verständnislosen Blick sah: »Für gewöhnlich stammte das Haar von einem Verstorbenen.«
    Simone brauchte einige Sekunden, um zu begreifen. Sie stöhnte voller Abscheu.
    »Offenbar hält er das für lustig«, sagte sie. »Der Kerl hat keinen Funken Anstand.« Klein kehrte mit Champagner zurück, und Simone fuhr ihn an: »Sie, meine ich! Nehmen Sie nicht einmal den Tod ernst?«
    »Habe ich irgend etwas verpaßt?« fragte Chester.
    »Manchmal sind Sie ein geschmackloser alter Mistkerl!«
    ereiferte sich Simone, ging auf ihn zu und schleuderte ihm ihr Glas vor die Füße.
    »Was ist denn los?« kam es verdutzt von Kleins Lippen.
    Luis eilte ihm zu Hilfe und versuchte, die aufgebrachte Simone zu beruhigen. Judith wollte nicht noch mehr in diese Angelegenheit verwickelt werden, schlenderte einen schmalen 911

    Pfad entlang, griff in die Tasche des Rocks und tastete dort nach dem blauen Stein. Sanft schloß sie die Hand darum, beugte sich vor und schnupperte an einer der perfekt geformten Rosen - die Blume erwies sich als vollkommen geruchlos. Sie berührte die Blütenblätter: trocken.
    Nach einigen Sekunden richtete sich Jude wieder auf und ließ ihren Blick über die Farbenpracht schweifen. Unecht.
    Alles unecht. Nur Plastik.
    Simones Fauchen verklang hinter ihr, und auch Luis schwieg. Judith drehte sich um und sah einen Mann, der durch die rückwärtige Tür kam und jetzt den Garten durchquerte: Gentle.
    »Retten Sie mich«, begrüßte ihn Klein in flehentlichem Tonfall. »Bevor mich der Zorn dieser Frau umbringt.«
    Gentle lächelte ein besonders strahlendes Lächeln, näherte sich Chester und breitete die Arme aus.
    »Keine Auseinandersetzungen mehr«, sagte er und umarmte den Gastgeber.
    »Simone will Krieg«, jammerte Klein.
    »Simone... Drangsalieren Sie Chester?«
    »Er hat sich eine Frechheit erlaubt.«
    »Und deshalb plagt ihn nun sein Gewissen. Geben Sie mir einen Kuß und verzeihen Sie ihm.«
    »Ich verzeihe ihm.«
    »Friede auf Erden und für Chester.«
    Alle lachten, und Gentle setzte die Begrüßungstour fort, küßte, schüttelte Hände und reservierte die letzte - und vielleicht grausamste - Umarmung für Vanessa.
    »Sie haben jemanden übersehen«, sagte Klein und lenkte Gentles Aufmerksamkeit auf Judith.
    Er

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