Immer diese Gespenster
um festzustellen, was die anderen von Heros Vorschlag hielten.
Lady Paradine erklärte schließlich entschieden: «Ich wünsche eine Erklärung. Ich will wissen, warum Isobel es getan hat.»
Hero, der immer noch mit seiner Pfeife beschäftigt war, fragte, ohne den Kopf zu heben: «Auch wenn die Wahrheit peinlich ist?»
Lord Paradine erwiderte schroff: «Wir sind unter uns. Es gehören alle zur Familie.»
Hero blickte auf und erkannte, wie recht er hatte; mehr noch, das Zusammenrücken der Familie schien sogar mit einer gewissen Feindseligkeit ihm gegenüber verbunden zu sein. Lady Paradine mochte keine besonders kluge Frau sein, aber sie war ihrem Mann von Herzen zugetan; Susan schaute mit Stolz und Liebe zu Mark auf und zeigte deutlich, welches Gefühl der Geborgenheit es ihr verlieh, nun zur Familie zu gehören. Nur wegen Sir Richard und seiner Liebe zu Beth hatte Hero Bedenken.
Doch dieser drängte gleichfalls auf eine Erklärung für Isobels Verhalten. «Wir möchten alle gerne Auskunft haben, Hero», sagte er. «Dar-, in bin ich mit Lady Paradine einig.»
«Gut, wenn Sie darauf bestehen», erwiderte Hero, indem er sich direkt an Sir Richard wandte. Er hielt das brennende Streichholz an seine Pfeife und stemmte sich — halb sitzend, halb stehend — gegen die Kante des Schreibtisches. «Der Fall ist einfach und tragisch zugleich. Isobel. Paradine hat Sie ihr ganzes Leben lang, seit sie ein kleines Mädchen war, geliebt. Eine Zeitlang hielt sie sich sogar für verlobt und glaubte fest, Sie würden sie heiraten, wenn Sie aus dem Krieg heimkehrten.»
«Was?» rief Sir Richard entrüstet aus. «Sie übertreiben, Hero! Das kann unmöglich stimmen. Was hat es für einen Sinn, die Vergangenheit heraufzubeschwören?»
Heros Schweigen war beredt genug. Doch Meg bestand darauf, daß er fortfuhr. «Erzähl weiter, Sandro — sie haben es ja ausdrücklich gewünscht.»
Hero sagte: «Ich zweifle nicht, daß Sie recht haben, Sir Richard. Aber Miss Paradine gab sich nun einmal der Täuschung hin. Als Sie an die Front gingen, haben Sie ihr beim Abschiedskuß nicht versprochen, daß Sie zurückkehren würden?»
Sir Richard errötete. «Ja, vielleicht habe ich so etwas Ähnliches gesagt. Man hofft ja immer, heil zurückzukehren, wenn man in den Krieg geht. Aber es hatte keine tiefere Bedeutung. Ich war nie in Isobel verliebt.»
«Das mag sein», antwortete Hero freundlich, «aber Isobel deutete Ihre Worte anders. Sie dachte, daß Sie zu ihr zurückkehren würden. Es war eine Selbsttäuschung. Die erste Ernüchterung folgte, als Sie mit einer französischen Frau aus dem Krieg heimkamen.»
Beth seufzte tief. «Arme Tante Isobel!» flüsterte sie.
Lord Paradine warf seiner Tochter einen neugierigen Blick zu, Sir Richard hielt den Kopf gesenkt.
Hero nickte. «Ja. Aber es kam noch schlimmer. In jüngster Zeit erfuhr Isobel dreifaches Leid: den Tod ihres geliebten Vaters, der ihr in gewissem Sinne Sir Richard ersetzte; die Umwandlung des alten Stammschlosses in ein — wenn auch als privater Club geführtes — Hotel; und schließlich die Demütigung, daß Sir Richard, nun ein Witwer mit einem neunjährigen Sohn, sich nicht ihr zuwandte, sondern sein Herz an eine junge Amerikanerin verlor, die in Paradine Hall zu Besuch weilte.»
Hero zog an seiner Pfeife und bemühte sich, seine Gedanken zu ordnen. «Welche Frau hätte solchen Schicksalsschlägen standzuhalten vermocht? Alle Leute, die mit Miss Paradine in Berührung kamen, verehrten sie. Sie war eine große Dame, stets liebenswürdig und hilfsbereit, und trotzdem, das wissen Sie alle, heftigster Reaktionen fähig. Von allen lebenden Paradines besaß sie den stärksten und ausgeprägtesten Sinn für Tradition. Wie sie auch wirken mochte, sie war nicht wie andere Frauen. Sie hätte mit ihrer Erbarmungslosigkeit das Zeug zu einer Königin gehabt. Und vielleicht hinderten sie gerade ihre Strenge und Sprödigkeit daran, das Kind einer anderen Frau zu lieben. Hätte sie dem kleinen Julian mütterliche Wärme entgegengebracht, wäre es ihr vielleicht gelungen, die Liebe des Vaters zu gewinnen und Sir Richard zu heiraten. Aber dazu war sie nicht fähig. Überdies haßte sie den Country Club vom ersten Tage seines Bestehens an, denn er lief allem zuwider, was ihrem Vater etwas galt. Die Gelegenheit fand sich, ihre Rivalin Susan Marshall loszuwerden und gleichzeitig den Club zu vernichten. Doch gerade das zweite Motiv machte mir bei meiner Untersuchung am meisten zu schaffen,
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