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Immer diese Gespenster

Immer diese Gespenster

Titel: Immer diese Gespenster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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daß sie in der Dunkelheit die nur von ein, zwei Kerzen spärlich erhellt wurde, wie ein Ordenskleid mit Haube aussahen. Das war der Grund, weshalb alle anderen Kerzen ausgingen.»
    «Aber wie gingen sie aus?» fragte Sir Richard.
    «Das ist keine Kunst», sagte Hero. «Jedermann hätte mit ein bißchen Überlegung auf die Idee kommen können. Mich interessierte nicht das , sondern das . Man erhitzt einen dünnen Fleischspieß und sticht damit in die Mitte der Kerze. Dabei wird der Docht verletzt, und wenn die Flamme diese Stelle erreicht, geht sie von selber aus. Ich fand den Fleischspieß, den Isobel benutzte, mit Wachsresten daran.»
    «Was brachte Sie denn überhaupt auf diese Spur, Sir?» fragte Mark.
    Hero sagte: «Wenn Sie gestatten, beginne ich ganz am Anfang.»
    «Ja, bitte, Alex», rief Susan eifrig.
    «Da Sie schon so viel verraten haben, ist es das beste, wenn Sie uns über alles Auskunft geben», murmelte Lord Paradine.
    Hero machte es sich ein wenig bequem und zündete seine Pfeife wieder an, die ausgegangen war; dann begann er: «Es war mir von Anfang an klar, daß wir es hier nicht nur mit einer Art von okkulten Manifestationen zu tun hatten, sondern mit mehreren. Ich sagte Ihnen ja, daß es zu viele Gespenster seien.»
    Sir Richard unterbrach ihn: «Ich sehe nicht recht ein, wie Sie das feststellen konnten, Hero. Sind sich die Gespenster denn nicht alle ungefähr gleich?»
    «Nein. Wenn Sie die Literatur über dieses Thema studieren, werden Sie nicht nur verschiedene Arten, sondern sogar Unterarten finden. Es gibt akustische Gespenster, die klopfen, pochen, mit Ketten rasseln, Schritte vortäuschen oder auch seufzen, stöhnen, schluchzen und sogar bekannte Melodien auf Musikinstrumenten vortragen. Dann gibt es sichtbare Gespenster, die aus unerfindlichen Gründen am liebsten in Kostümen des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts einhergehen, und schließlich die Poltergeister, die immer unsichtbar bleiben, Allotria treiben, schwere Gegenstände herumwerfen und sogar Möbel umkippen. Diese Manifestationen überschneiden sich nur ganz ausnahmsweise. Ein klagendes, pochendes oder scharrendes Gespenst läßt sich nie blicken, während der Geist der verzweifelten Frau oder des ermordeten Geliebten ohne jedes Geräusch durch Räume, Türen und Fenster schwebt. Der Poltergeist kommt nie als sichtbares Wesen vor. — Hier gab es alle Kategorien.»
    «Das stinkende Gespenst nicht zu vergessen, Sir!» warf Mark Paradine ein.
    «In gewissem Sinn ja», sagte Hero, «obgleich mit Ausnahme der verschleierten Dame, die eine Duftwolke von Parfüm zurückläßt, wenn sie durch dunkle Korridore huscht, und den Ertrunkenen, die angeblich nach Salzwasser und Tang riechen, Gespenster geruchlos sind, ln unserem Fall wurde mit der Verpestung der Luft ein ganz bestimmter Zweck verfolgt, Isobel hatte Mrs. Spendley-Carters Baldriantinktur entwendet und die ganze Flasche in den Heißwasserboiler geschüttet, um den Benzingestank, der sich im Keller ausbreitete, zu überdecken.»
    Alle warteten schweigend, daß er fortfahren würde. Doch Hero schaute grüblerisch zu Boden und erklärte dann: «Die Gespenster, die ich Ihnen aufgezählt habe, sind alle erfunden. Sie existieren nur in Legenden und in der Vorstellung leichtgläubiger und neurotischer Menschen. Man hat den Eindruck, die Geisterwelt richte sich ganz nach den Wünschen der Menschen und gebe sich die größte Mühe, sie nicht zu enttäuschen. Die Gespenster hier im Schloß erfüllten peinlich genau die Erwartungen, die an sie gestellt wurden — sie pochten, bumsten, löschten Lichter aus, spielten auf Musikinstrumenten und zeigten sich nächtlicherweise — doch hinter diesem harmlosen Unsinn verbarg sich eine echte Gefahr, und alles deutete darauf hin, daß mehr als ein Wesen beteiligt war.»
    Vetter Freddie äußerte höhnisch: «Wo bleibt da die Logik, Meister? Einmal sagen Sie, es gebe keine Gespenster, und im nächsten Augenblick reden sie von ihnen, als existierten sie wirklich.»
    Hero betrachtete Vetter Freddie ironisch und erwiderte: «Ihre Frage ist gescheiter, als ich von Ihnen erwartet hätte. Was ich sagen will, ist, daß ich hier nicht nur eine Vielfalt von Erscheinungen antraf, sondern daß sie auch ganz unterschiedliche Charaktermerkmale aufwiesen. Ich muß wieder auf das zurückkommen, was ich über Gespenster und Menschen gesagt habe: Wenn es Geister, Gespenster oder entkörperlichte Seelen gibt, müssen sie früher einmal lebendige

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