Immer dieser Knasterbax
freuten sich, daß es ihm so gut mundete.
Satt und gestärkt lehnte
Knasterbax sich zurück.
„Nun sagen Sie uns bitte, was
wir Ihnen für die Arbeit zu bezahlen haben“, bat der Alte, während er sich eine
Pfeife anzündete und seine Frau den Tisch abräumte. Aber der Räuber wollte kein
Geld.
„Bezahlt habt ihr mit
knusperiges Braten und mit die Salat von Obst“, sagte er. „Ist sich so in
Ordnung“.
„Nie und nimmer nehmen wir das
an“, rief die Frau, „jede Arbeit ist ihres Lohnes wert! Wenn Sie durchaus kein
Geld haben wollen, werden wir unsere Schuld irgendwie anders gutmachen.“
Knasterbax schüttelte den Kopf.
„Bin ich satt, bin ich
fröhlich, ist nix zu machen gut.“
„Wenn wir ein Geschäft hätten“,
fuhr die Frau fort, „würde ich Ihnen eine Wurst mitgeben oder einen Schinken,
aber mein Mann ist Lehrer und verkauft leider nichts.“
Knasterbax horchte auf.
„Lehrer?“ fragte er. „Richtiges
Lehrer mit guten Sprache und Weisheit von Zahlen und Länder?“
Der Alte nickte.
„Allerdings unterrichte ich
nicht mehr, ich bin ja schon im Ruhestand.“
„Dann du gibst mir Schule in
richtiges Sprache“, rief Knasterbax erfreut. „Und ich mach alles Arbeit in
Garten.“
„Gerne“, sagte der Lehrer. „Sie
haben als Kind sicherlich keinen regelmäßigen Unterricht gehabt, nicht wahr?“
„Wenn ich soll geben das
Wahrheit die Ehre“, sagte Knasterbax, „muß ich machen Geständnis, daß ich bin
überhaupt nix gegangen in Schule.“
Die Frau sah ihn erstaunt an.
„Und doch haben Sie es bis zum
Polizisten gebracht“, sagte sie, „dann müssen Sie aber sehr tüchtig sein.“
Dazu schwieg der Räuber
vielsagend.
Sie einigten sich dahin, daß
Knasterbax bei ihnen wohnen durfte, täglich drei Stunden Sprachunterricht bekam
und dafür den Garten besorgte. Und um keine unnötige Zeit zu verlieren, fingen
sie sofort an.
„Die größte Schwierigkeit
scheinen Sie mit den Hauptwörtern zu haben“, begann der alte Lehrer. „Passen
Sie auf, es ist ganz leicht. Alle Hauptwörter haben ein Geschlecht. Sie sind
entweder männlich wie der Mann, weiblich wie die Frau oder sächlich wie das
Kind. Männlich kommt von Mann, weiblich kommt von Weib, und sächlich kommt von
Sache.“
„Ich verstehe“, rief Knasterbax
eifrig. „Jedes Mann heißt der Mann, jedes Weib heißt die Weib, und jedes Sache
heißt das Sache.“
„Nein, nein“, sagte der Lehrer,
„ganz so einfach ist es leider nicht. Es gibt auch viele Sachen, die der oder
die heißen. Der Schrank zum Beispiel und die Tafel.“
„Warum ist sich Schrank ein
Mann und Tafel ein Weib?“ fragte Knasterbax verblüfft.
„Sie haben kein natürliches,
sondern nur ein grammatisches Geschlecht,“ erklärte der Schulmeister geduldig.
„Mit einem Mann oder einer Frau haben sie nichts gemeinsam.“
„Das ist aber großes Dummheit“,
bemerkte der Räuber nachdenklich. „Werde ich bestimmt nicht begreifen.“
„Übung macht den Meister“,
tröstete ihn der Alte. „Wenn Sie sich Mühe geben, haben Sie es bald gelernt.“
Er schrieb eine lange Reihe von
Wörtern auf, die Knasterbax auswendig lernen mußte. Weil der Räuber aber nicht lange
stillsitzen konnte, verrichtete er dabei die Gartenarbeit. Während er die Rosen
begoß, leierte er:
„Der
Hund, der Fuß, der Zahn, der Schrank,
der
Bund, der Gruß, der Hahn, der Dank.“
Beim Jäten des Unkrautes und
beim Harken der mit Kies bestreuten Wege murmelte er:
„Die
Frau, die Uhr, die Nacht, die Hand,
die
Sau, die Spur, die Fracht, die Wand.“
Und auf der Leiter unter dem
Apfelbaum stehend, rappelte er:
„Das
Buch, das Geld, das Gut, das Schwein,
das
Tuch, das Zelt, das Blut, das Bein.“
Der alte Lehrer stand immer in
seiner Nähe und half ihm ein. So pflegte der Räuber Garten und Sprache
gleichzeitig.
Innerhalb weniger Tage brachte
er den Garten in eine vorbildliche Ordnung und seine Sprache in eine heillose
Unordnung.
„Heißt es der Kind oder die
Kind?“ fragte er.
„Das Kind!“
„Warum? Ist das Kind eine
Sache?“
„Nein, natürlich nicht.“
„Das Quatsch ist nicht zu
verstehen.“
„Der Quatsch, bitte!“
„Ist der Quatsch ein Mann?“
„Aber nein!“
„Warum heißt es dann nicht das
Quatsch?“
„Weil der Quatsch ein
männliches Geschlecht hat.“
„Wenn er hat ein männliches
Geschlecht, ist er doch ein Mann!“
„Er ist nur sprachlich ein
Mann, in Wirklichkeit ist er eine Sache.“
„Das werd ich lernen nix in
Ewigkeit!“
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