Immer dieser Knasterbax
er
den Mann. „Damit Sie sich an Ort und Stelle überzeugen können, daß ich die
Wahrheit gesagt habe.“ Gemeinsam stiefelten sie zur Scheune hinüber.
„Würden Sie bitte die Leiter
festhalten“, sagte Siebenschütz, „bei Tageslicht sieht sie doch viel
gefährlicher aus.“ Vorsichtig stieg er von einer Sprosse auf die andere.
„Wenn meine Vermutung stimmt“,
rief er von oben hinunter, „muß der Räuberhut noch da oben im Heu liegen.“
Einen Augenblick später sah er,
daß er sich nicht geirrt hatte, der Räuberhut lag tatsächlich noch oben im Heu.
Aber nicht allein, sondern neben dem großen, ausgewachsenen, unverschämten
Räuber Knasterbax, der sich nach einem ausgezeichneten Frühstück zu einem
kleinen Verdauungsnickerchen niedergelegt hatte und schon wieder fest schlief.
Vor Schreck wäre Siebenschütz fast von der Leiter gefallen. So nahe war er dem
gefährlichen Räuber noch nie gewesen! Als er sich jedoch gefaßt hatte, zog er
seine Handschellen aus der Tasche und legte sie Knasterbax um. „So“, sagte er,
„das hätten wir! Jetzt werde ich ihn wecken und abführen. Es kann nichts mehr
passieren.“
Bald trotteten Knasterbax und
Siebenschütz einträchtig nebeneinander den Weg entlang. Die Sonne ging auf und
versprach einen warmen Tag. Der Schutzmann schob das Fahrrad mit der rechten
Hand und hielt mit der linken die Kette, die an den Handschellen befestigt war.
Er war stolz und sehr zufrieden mit sich. Endlich konnte er den bösen Kerl in
das Gefängnis führen! In seiner Freude hatte er ganz vergessen, bei dem Bauern
zu frühstücken. Darum knurrte nach einer Stunde Marsch sein Magen so laut, daß
Knasterbax meinte, ein Hund sei in der Nähe. Als er aber merkte, wer da
gebrummt hatte, zog er die übriggebliebene Hälfte der Salami aus der Tasche und
begann genüßlich sein zweites Frühstück. Siebenschütz lief das Wasser im Munde
zusammen. Zu gern hätte er den Räuber um ein kleines Stück gebeten. Aber er als
Schutzmann konnte natürlich keine gestohlene Wurst essen. „Wenn du die Wurst
gestohlen hast“, sagte er streng, „muß ich sie dir abnehmen.“
Knasterbax grinste. „Hat sich
Siebenschütz großes Hunger?“ fragte er scheinheilig. „Will er essen geklautes
Wurst? Kann ich aber leider nicht lassen zu, verstößt gegen Vorschrift von
Polizei. Braves Schutzmann muß hungern, böses Räuber darf essen.“ Und er
stopfte sich den Mund so voll, daß ihm fast die Backen platzten. Siebenschütz
durfte nicht länger hinsehen, sonst hätten seine Hände möglicherweise von ganz
allein nach der leckeren Wurst gegriffen. Knasterbax steckte herausfordernd
langsam den Rest in die Tasche zurück. Dem Schutzmann kamen fast die Tränen.
Aber der Räuber war noch nicht fertig. Nun fischte er ein faustgroßes Stück
Butter aus dem Stiefel und schob es in den Mund, als ob es Kaugummi wäre. Das
Fett lief ihm über das Kinn in den Kragen, aber das kümmerte ihn nicht. Mit dem
Jackenärmel wischte er sich den Mund und angelte nun ein halbes Brot aus seiner
riesigen Tasche.
„Ist sich großes Schande“,
sagte er zu seinem uniformierten Begleiter, „daß gefesseltes Räuber muß essen
rückwärts, erst das Wurst, dann den Butter und zu guter Letzt die Brot. Aber
eigentlich ist das egal. In die Bauch alle drei treffen zusammen und legen sich
in richtiges Reihenfolge.“
Dem armen Schutzmann rollten
sich die Därme auf. Fast wünschte er in diesem Augenblick, an der Stelle des
Räubers zu sein. Er sah auf die Wiese hinüber, ob da nicht Sauerampfer wuchs,
den man zur Not auch essen konnte. Da sagte der Räuber: „Oh, hier ich finde ein
rundes Käse, was nicht ist von die Bauern gestohlen! Komm, armes Schutzmann,
mach schnapp!“ Und schon schob er dem überraschten Polizisten den Käse in den
Mund. Dem blieb nichts anderes übrig, als zu kauen. Auch als Knasterbax ihm das
Brot, das er noch in der Tasche hatte, brockenweise hinterhersteckte, spuckte
er es nicht wieder aus. Ein Postbote, der ihnen entgegenkam, verlor vor
Erstaunen fast ein Päckchen, als er sah, wie ein Polizist von einem gefesselten
Räuber gefüttert wurde.
Siebenschütz aß nach dem Brot
auch noch von der Wurst, ohne sich aufzulehnen. Nur auf die glitschige Butter,
die Knasterbax aus dem Stiefel zog, hatte er keinen Appetit mehr. Nachdem er so
gestärkt war, sah die Welt gleich wieder freundlicher aus. Hunger ist so
schlimm wie eine Krankheit, dachte er. Und sein Gewissen beruhigte er mit dem
Gedanken, daß er ja
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