Immortal 3 - Schwarze Glut
mich.«
Waren Kalens Augen zuvor schon leer gewesen, schienen sie nun vollkommen tot. »Uni brachte mich in ein Reich außerhalb der menschlichen Welt, wo ich an einem Ort gefangen gehalten wurde, an dem ich nichts sehen, nichts hören, nichts fühlen und nichts schmecken konnte. Sämtliche Sinneswahrnehmungen waren ausgeschaltet, und ich konnte mich weder bewegen noch sprechen. Es war, als würde ich nur noch in meinem eigenen Denken existieren. Sie sagte mir nichts – nicht, wie lange ich dort bleiben sollte oder ob ich in alle Ewigkeit in dieser Hölle vegetieren müsste. Ich sollte den Tod erfahren, verstehst du? Ich sollte begreifen, was ich Gerold angetan hatte.« Er lachte verbittert. »Es war eine wirksame Strafe. Die Minuten, die Stunden, die Tage zerrannen und nahmen meine Seele mit sich. Währenddesssen wünschte ich mir unzählige Male, ich wäre wirklich tot.«
»O nein, Kalen! Wie lange behielt Uni dich dort?«
»Hundert Jahre. Als ich wieder herauskam, meinte Uni, meine arrogante Unsterblichenseele verstünde den Wert des Lebens immer noch nicht, und sie verbot mir das Töten für weitere neunhundert Jahre. Ihr Urteil beschränkte sich nicht bloß auf Menschen und lebensmagische Kreaturen, sondern auch auf Tiere und todesmagische Wesen. Nichts Lebendes darf durch meine Hände sterben, was mit einschließt, dass ich kein Fleisch essen darf. Sollte ich gegen Unis Dekret verstoßen, bringt sie mich in die dumpfe leblose Hölle zurück – für alle Ewigkeit. Seit jenem Tag sind sechshundert Jahre vergangen. Ich habe gelernt, zu leben, ohne zu töten, und praktiziere ausschließlich Schutzmagie. Gleichzeitig lernte ich, meine Wut zu beherrschen und meinen Stolz zu überwinden. Willst du wissen, was das Schlimmste für mich ist, Christine? Zuzusehen, wie Unschuldige sterben, weil ich es nicht wagen kann, ihnen zu helfen.«
»Deshalb weigerst du dich, mir zu helfen?« Christines Gefühle waren ein einziges Chaos. »Weil du die nächsten dreihundert Jahre nicht kämpfen darfst?«
»Zweihundertdreiundneunzig Jahre. Ja, deshalb weigere ich mich.«
»Das hättest du mir sagen müssen! Hätte ich es gleich gewusst, wäre ich nicht auf die Idee gekommen, dich weiter zu bedrängen.«
»Jetzt weißt du es. Und du weißt auch, dass ich dich liebe. Ich ertrage den Gedanken nicht, dass du dich für eine Sache in Gefahr begibst, die allem Anschein nach bereits verloren ist. Bitte, sag, dass du mit mir nach Annwyn kommst! Dort können wir auf ewig in Frieden leben.«
Das alles war zu viel für Christine. Vor allem musste sie erst einmal Kalens furchtbare Geschichte verarbeiten. Sie hatte ihn für herzlos gehalten, weil er dem Hexenzirkel des Lichts nicht im Kampf beistehen wollte. Jetzt verstand sie, warum er sich weigern musste. Eine Ewigkeit ohne jedwede Sinneseindrücke – allein bei der Vorstellung wurde ihr übel. Nein, Kalen konnte nicht kämpfen! Nun, da sie wusste, was ihm drohte, würde sie es ihm nicht erlauben. Aber mit ihm nach Annwyn fliehen? Wie könnte sie das tun?
»Christine?«
Sie schrak aus ihren Gedanken auf. »Ja?«
»Hat das … hat das, was ich dir erzählt habe …« Er verstummte, und es brach ihr fast das Herz, den Schmerz und den Selbstekel in seiner Stimme zu hören. »Hat es mich in deinen Augen hassenswert gemacht?«
Ein Kloß in ihrem Hals machte ihr das Antworten schwer. »Nein«, sagte sie heiser und lehnte ihre Stirn gegen seine. »Ich könnte dich niemals hassen, Kalen. Ich liebe dich.«
Sie fühlte seine Tränen auf ihrer Wange. »Danke.«
Nach einiger Zeit sprach er wieder. »Es wird ein paar Tage dauern, bis Mac so weit ist, dass er die Pforten öffnen kann. Da ist noch etwas, das du sehen solltest, bevor du deine Welt für immer verlässt.«
Ihr Brustkorb wurde schmerzlich eng. Er dachte, ihre Liebeserklärung bedeutete, dass sie mit ihm nach Annwyn ging. »Was?«
»DeLineas Galerie in Edinburgh. Für morgen Abend habe ich eine Vernissage geplant. Es wird meine letzte sein.«
»Aber … was ist mit der Todesmagie? Mit den Dunkelfeen?«
»Die Galerie ist extrem gut geschützt. Du wirst dort vollkommen sicher sein, versprochen.«
Christines Gedanken überschlugen sich. Eine deLinea-Vernissage in Edinburgh miterleben? Vor wenigen Wochen noch wäre sie überglücklich gewesen. Jetzt jedoch wurde ihr bei der Vorstellung eiskalt, denn sie wusste, was sie tun musste, sobald sie von seiner Insel herunterkam.
»Edinburgh wäre super«, sagte sie.
Aber es würde
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