Immortal 3 - Schwarze Glut
Herrentoilette war gleich nebenan; beide Türen konnte Kalen von dort, wo er stand, nicht sehen. Und falls er sie ansah, wenn sie aus dem kleinen Flur trat, konnte sie bloß hoffen, dass er ihre Tarnung nicht durchschaute. Sie schritt durch das Foyer zu den Eingangstüren, wobei sie Kalens Nähe sehr deutlich spürte.
»Tut mir unsagbar leid«, sagte sie zu Fiona, die gerade die letzten Gäste begrüßte. »Ich habe gerade eine dringende Nachricht erhalten und kann bedauerlicherweise nicht bleiben.«
»Ein Jammer«, murmelte Fiona, sah Christine genauer an und runzelte die Stirn. »Mr. …«
»Weatherby«, half Christine ihr, »Timothy Weatherby. Einen schönen Abend noch.« Mit diesen Worten eilte sie zur Tür hinaus auf die Straße.
Sie hatte es geschafft! Erleichtert aufatmend, lief sie die Straße hinunter. Es regnete immer noch in Strömen, und der aufgeklappte Regenschirm nützte ihr nichts – wie sollte er auch? Schließlich war er eine Illusion, ebenso wie ihr Regenmantel. Binnen Minuten war sie bis auf die Haut durchnässt und kalt.
Es hätte ihr nichts ausgemacht, wäre es gewöhnlicher Regen. Aber das war er nicht. Dieser Regen war finster und tödlich. Der ölige Niederschlag, der aus einem bleigrauen Himmel fiel, hinterließ Schmierstreifen auf ihrer Haut, die wie Blutspuren aussahen und nach Tod rochen. Christine ignorierte ihren Ekel und lief weiter, wobei ihre hohen Absätze in dem Schlamm auf dem Gehweg rutschten. Sie musste langsamer gehen und sich zum Schutz näher an die Gebäude drücken.
Sie überquerte eine Straße und sah eine Ecke weiter ein Pub. Es schien geöffnet zu haben. Von dort könnte sie Amber anrufen, sich anschließend den Weg zum Bahnhof beschreiben lassen und zum nächsten Flughafen fahren. Sie war so in ihre Pläne vertieft, dass sie das Zischen gar nicht bemerkte, bis sie fast an der Seitengasse war, aus der es drang. Eine Wolke ätzenden Qualms waberte aus der Gasse, der tentakelgleich um ihre Knöchel wirbelte. Erschrocken wich Christine in einen Hauseingang zurück. Ihr Herz pochte wie wild.
Nun näherten sich schlurfende Schritte. Krallen kratzten auf den Steinen wie Fingernägel auf einer Tafel. Kurz darauf schossen ein Dutzend Schattenfiguren aus der Gasse, begleitet von einem entsetzlichen Kloakegestank. Dunkelfeen! Etwas anderes konnten die fauligen Monster nicht sein. Sie waren sogar noch ekliger, als Christine sie sich vorgestellt hatte. Ihre Gestalten waren entfernt menschenähnlich, die Haut leichenbläulich und ihre Gliedmaßen seltsam verrenkt. Sie sahen aus wie ein lebendig gewordener Alptraum. Ihre massigen ovalen Köpfe saßen auf plumpen Rümpfen, und durchsichtige Fledermausflügel entfalteten sich aus den buckligen Schultern.
Die größte der Kreaturen, offenbar ihre Anführerin, verständigte sich mit den anderen mittels Grunz- und Pfeiflauten sowie Gesten. Sie führte die Horde in die Richtung, aus der Christine gerade kam.
Direkt vor dem deLinea blieben sie stehen. Sie schienen auf etwas zu warten, während sie ihre Nacken verrenkten, um nach oben zu blicken.
Christine schlich aus dem Hauseingang und sah ebenfalls nach oben.
Der Himmel wirkte unheimlich. Zuerst konnte Christine nur eine unförmige schwarze Wolke erkennen, die unterhalb der bleigrauen hing. Der Wind heulte. Doch während sie zuschaute, wurde die schwarze Wolke größer und löste sich in eine gigantische Masse von Körpern und Flügeln auf. Christine drehte sich der Magen um. Noch mehr Dunkelfeen – Hunderte!
In einem Schwefelregen fielen sie vom Himmel, und hinter ihnen loderten Flammen auf. Mehrere landeten auf dem Dach der Galerie, andere auf der Straße, und wieder andere hängten sich in die Fensterrahmen und schlugen gierig gegen die Scheiben.
Die Dunkelfeen auf der Straße kreischten und stürzten sich auf die Eingangstür. Weiße Energie blitzte auf und erlosch wieder. Kalens Schutzzauber hielt. Eines der Monster fiel brüllend auf das Pflaster. Die anderen setzten unbeirrt zum erneuten Angriff an. Eine ganze Salve von Elfenfeuer schoss ihnen entgegen. Kalens Sidhe nahmen den Kampf auf. Es folgte ein kurzer Schusswechsel von Feuer und Licht. Ein besonders starker Magieblitz streckte gleich mehrere Dunkelfeen nieder. Die übrigen wichen zurück, aufgeregt grunzend und pfeifend. Dann bildeten sie eine Keilformation und stürmten erneut auf die Tür zu.
Krachend gab sie nach. Weiter oben zerbarst ein Fenster. Die Kreaturen kreischten und kratzten sich gegenseitig,
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