Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Immortal 3 - Schwarze Glut

Immortal 3 - Schwarze Glut

Titel: Immortal 3 - Schwarze Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Nash
Vom Netzwerk:
wo er einen Pergamentbogen aus einer Mappe nahm, den er flach auf dem Tisch ausbreitete. Dann schraubte er das Tintenfass auf und griff nach einem Federhalter.
    Der Drang, etwas zu schaffen, Schönheit aus nichts als purer Vorstellungskraft hervorzubringen, erfüllte ihn von oben bis unten. Sein Körper befahl ihm zu handeln. Dennoch zögerte er einen Moment. Während der letzten zehn Jahre hatte er von Leannas Magie gezehrt, die ihn befeuerte. Er war überzeugt gewesen, dass er sie brauchte.
    Er konnte sich dem Impuls unmöglich verweigern. Vielleicht scheiterte er ein weiteres Mal, so wie er es ausnahmslos nach dem Sex mit Leanna tat, aber er musste es versuchen. Er wagte kaum zu hoffen und hielt den Atem an, als die Federspitze das jungfräuliche Pergament berührte. Seine erste Linie kam fließend.
    Es war ein kurviger, sinnlicher Federstrich, vollkommen schön. Aber er hatte auch in der Vergangenheit wunderschöne Linien geschaffen. Das allein hieß noch gar nichts. Erst wenn die erste Linie sich mit einer weiteren, gleichermaßen inspirierten verband, könnte es ungleich mehr werden. In Kalens Innerem flackerte ein Funken von Eingebung auf, und während er danach griff, rechnete er fast damit, dass er erlosch, bevor er ihn eingefangen hatte. Leannas Inspiration war stets schwer zu greifen, weil ihre Kraft zwar stark, aber auch flüchtig war. Nur die talentiertesten oder verzweifeltsten Künstler konnten sie sich erobern.
    Christines Magie jedoch entzog sich ihm nicht. Wie sie nahm sie ihn in ihre zarten einladenden Arme auf. Und je tiefer er in sie eintauchte, umso deutlicher floss sie um ihn herum.
    Unter seiner Hand entstand eine Zeichnung. Die Augen einer Frau, eine schmale Nase, ein Schmollmund. Dunkles Haar ergoss sich über nackte Haut. Sie lag auf zerwühlten Seidenlaken. Ihr langes Haar bildete einen verlockenden Vorhang, verbarg die Spitzen ihrer Brüste und streifte die sanfte Wölbung ihres Bauchs.
    Seine Feder glitt über die weiche Linie ihrer Schultern, die zarten Rundungen ihrer Hüften. Als er fertig war, ging sein Atem schwer, und der Elfenbeingriff seines Federhalters hatte Risse bekommen, so fest hatte Kalen ihn gehalten. Sein Herz klopfte wie wild, sein Magen krampfte sich zusammen. Er starrte auf das Pergament und die Linien, die er darauf gezeichnet hatte, um sich das Bild einzuprägen. Dann schloss er die Augen und atmete tief durch.
    Er konnte nicht sicher sein, dass die Wirklichkeit dessen, was er gezeichnet hatte, noch seiner Eingebung entsprach, sobald deren Wirkung nachließ. Während er etwas schuf, befand er sich gleichsam in einem Traum. Und jedes Mal, wenn er erwachte, musste er feststellen, dass sein Werk lediglich ein blasser Nachhall seiner Vision war. Er wagte nicht zu hoffen, dass es diesmal anders sein könnte.
    Nachdem er nochmals tief durchgeatmet hatte, öffnete Kalen die Augen. Eine Weile lang starrte er nur auf das, was er hervorgebracht hatte.
    Dann schnürte sich seine Kehle zu. Seine Hand begann zu zittern, und er musste blinzeln, weil ihm die Augen brannten. Seine Zeichnung war schlicht, ja – nicht mehr als ein paar Linien in schwarzer Tinte. Und doch … war sie … vollkommen.
    Das Bild stellte die liegende Christine dar, die Sinnlichkeit und zugleich auch eine schmerzliche Unschuld ausstrahlte. In ihren Augen war jener Hauch von Unsicherheit zu erkennen, den Kalen so faszinierend fand. Ihr Gesichtsausdruck war erstaunt, aber auch hingebungsvoll, und ihre Mundwinkel waren ein klein wenig nach oben gebogen, als würde sie über etwas nachdenken, das er nie erfahren sollte.
    Für längere Zeit stand er einfach da, außerstande, den Blick von seiner Zeichnung abzuwenden. Schließlich drehte er sich weg, fluchte und ging einige Schritte auf Abstand. Zitternd fuhr er sich mit der Hand durchs Haar, drehte sich wieder um und ging noch einmal zum Schreibtisch, um erneut auf seine Schöpfung zu starren.
    Kalen bildete sich ein zu erkennen, ob eine Arbeit ein Kunstwerk darstellte der nicht. Seine umfangreiche Sammlung enthielt nicht nur bekannte Meister, sondern auch Werke von unbekannten Künstlern, die nicht das Glück hatten, wohlhabende Kunden anzuziehen. Kalen schätzte wahres Talent und verachtete Mittelmäßigkeit. Seine eigenen Kreationen beurteilte er nach denselben strengen Maßstäben wie jede andere auch. Ihm war bewusst, dass seine Arbeiten passabel waren, vielleicht sogar gut, aber das reichte ihm nicht. Er sehnte sich danach, ein Meisterwerk zu

Weitere Kostenlose Bücher