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Immortal 3 - Schwarze Glut

Immortal 3 - Schwarze Glut

Titel: Immortal 3 - Schwarze Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Nash
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prompt zu kribbeln. Im ersten Moment rechnete sie damit, dass er sie in seine Arme zog, und sammelte bereits Kraft, um sich dagegen zu wehren. Stattdessen aber hielt er sie auf Armeslänge und drehte sie lediglich um, so dass sie das Bild auf der Staffelei hinter sich ansehen musste. Dann ließ er sie los und trat zurück.
    Das Gemälde war Peter Paul Rubens’ Entführung der Europa. Zeus in Gestalt eines gewaltigen Stiers trug eine verängstigte Frau, Europa, ins Meer. Rubens hatte Zeus’ bestialische Kraft und Europas weibliche Hilflosigkeit mit brutaler Intensität eingefangen. Das Bild war dunkel, bedrohlich und verstörend in seiner Sinnlichkeit. Für den Betrachter war nicht zu entscheiden, ob Europas Gesichtsausdruck Angst oder Ekstase ausdrückte. Christine fühlte, wie sie rot wurde, denn sie glaubte zu wissen, was in der armen Frau vorging.
    »Erregt die Szene dich?«, fragte Kalen leise, der schon wieder viel zu nahe gekommen war. Und wieder hatte Christine es nicht bemerkt.
    Sie rang nach Luft. »Ich glaube, das möchte ich nicht beantworten.«
    »Aha.« In seiner Stimme klang ein wissendes Lachen mit. »Zu … pulsierend für deinen Geschmack, ja? Was ist mit diesem?« Er nickte zu einem anderen Ölgemälde.
    Tizians Venus von Urbino. Eine nackte Frau, die auf einer Couch lag. Ihre Brustspitzen waren aufgerichtet, und die Finger ihrer linken Hand lagen über ihrer Scham, als wäre sie im Begriff, sich vor dem Künstler selbst zu befriedigen. Wenigstens war kein Mann auf dem Bild. Trotzdem wurde es Christine zu viel, solange Kalen ihr so nahe war.
    Sie blickte sich um, ob es nicht irgendwo etwas weniger Verfängliches gab. Ihr Blick fiel auf die Darstellung eines vollständig bekleideten Paares. Dankbar lief sie darauf zu. »Dieses hier gefällt mir viel besser.«
    »Eines meiner Lieblingsbilder.«
    Zuerst dachte sie, er würde scherzen. Doch da war kein Hauch von Ironie in seiner Stimme. Christine trat näher an das Bild. Der Hintergrund war nicht richtig zu erkennen. Es konnte sich um eine enge Gasse oder einen Dienstbotenkorridor handeln, jedenfalls war keinerlei Dekoration zu sehen. Der Mann trug einen schlichten braunen Reiserock und einen Hut mit einer einzelnen Feder. Die dunkelhaarige Frau in seinen Armen hatte ein tiefblaues Kleid mit weißer Spitze an den Ärmeln an.
    Das Paar küsste sich, wobei die Hände des Mannes an ihren Wangen lagen, die der Frau in seinem Nacken. Eine Aura von Verzweiflung umgab die beiden, als wäre ihre Begegnung nur flüchtig, verboten. Ihre Angst, ertappt zu werden, war beinahe greifbar.
    »Il Bacio«, sagte Kalen.
    »Francesco Hayez«, murmelte Christine, »neunzehntes Jahrhundert, italienische Romantik. Der Kuss ist sein bekanntestes Werk.«
    Kalen schien erfreut. »Du kennst es.«
    »Ich habe dieses Bild in Mailand gesehen.« Sie runzelte die Stirn. »Und zwar erst vor gut zwei Monaten.«
    Kalen warf ihr ein Lächeln zu, das kein bisschen reumütig war. »Und jetzt siehst du es zum zweiten Mal.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich kann das nicht glauben! Hast du die Sixtinische Kapelle auch hier irgendwo?«
    Schlagartig wurde er ernst, beinahe traurig. »Nein. Ich konnte nicht rechtzeitig hinkommen. Die Sixtinische Kapelle ist wirklich für immer verloren.«
    »Oh.« Es versetzte ihr einen Stich, der fast so schmerzhaft war wie der an jenem schrecklichen Tag vor knapp einem Jahr, als eine Terroristenbombe Michelangelos Werk zerstört hatte. Und denselben Schmerz sah sie nun in Kalens Augen. »Das tut mir leid.«
    »Mir auch.« Er seufzte. »Was mit der Sixtinischen Kapelle geschah, überzeugte mich endgültig, dass die Menschen nicht mehr imstande sind, ihr eigenes Erbe zu bewahren – ein Erbe, dessen Grundstein die Etrusker legten. Nach der Zerstörung der Sixtinischen Kapelle fing ich an, mich ernsthaft dem Sammeln von Kunst zu widmen. Diese Statuen und Gemälde sind alles, was mir noch von meinem Volk geblieben ist.«
    Christine schämte sich. Sie hatte Kalen für selbstsüchtig und arrogant gehalten, für einen prinzipienlosen Museumsplünderer. In Wahrheit jedoch war er ein Held.
    »Entschuldige! Das war mir nicht klar.«
    Als er seine Arme ausbreitete, ging sie auf ihn zu und schmiegte sich bereitwillig an seine breite Brust. Er hielt sie, als wäre sie ebenso kostbar wie die Kunst, die er anbetete. Dann legte er die Hände an ihre Wangen und streifte ihre Lippen mit seinen.
    »Lass mich dich noch einmal lieben, Christine!«
    Seine Berührung war wie eine

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