Immortal 3 - Schwarze Glut
auch?«
Leannas graue Augen wurden eisig. »Ich will nicht im selben Reich wie die alte Schlampe leben. Nein, sie soll lediglich vor dem Sidhe-Rat zugeben, dass ich ihre Tochter bin. Ich 40
muss dir wohl nicht sagen, was das für meine Stellung ausmacht.«
Er nickte. Die Sidhe-Gesellschaft war übertrieben clanorientiert und streng nach sozialen Rängen geordnet. Trotz Leannas mächtiger Magie und ihrer Sidhe-Seele gehörte sie der niedrigsten Klasse an. Ihr Vater war ein Mensch gewesen, ein bettelarmer Highlander im achtzehnten Jahrhundert, den Niniane, die Königin der Sidhe, amüsant fand. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass er ihr ein Kind zeugen könnte, und kaum war das Baby geboren, gab sie es bei seinen menschlichen Verwandten ab und fl oh. Solange ihre Mutter sie nicht anerkannte, war Leannas gesellschaftlicher Umgang auf andere Halbblutwesen oder ausgestoßene Sidhe beschränkt. Sollte Niniane sie allerdings als ihre Tochter anerkennen, würde sie in die obersten Ränge aufsteigen.
»Ein Unsterblichenbaby käme uns beiden zugute«, erklärte sie. Kalen betrachtete sie nachdenklich. Weder liebte er Leanna noch sie ihn. Aber er hatte das Bedürfnis, sie zu schützen. Er konnte gar nicht anders, denn schließlich war er zum Beschützer geschaffen. Und ein Unsterblichenkind, selbst eines mit Leanna als Mutter, wäre etwas sehr Wertvolles. Natürlich würde er das Baby nicht Niniane überlassen, auf keinen Fall. Er und Niniane waren mehr oder minder befreundet, seit er der Sidhe-Königin einst einen großen Gefallen getan hatte. Entsprechend hätte sie nichts dagegen, wenn Kalen ihr Enkelkind aufzog.
»Ich schenke dir ein Baby«, sagte er, »unter einer Bedingung.«
»Und die wäre?«
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»Du wirst keine Liebhaber haben, menschliche oder andere, solange du mein Kind trägst.«
»Außer dir natürlich«, fügte sie neckisch hinzu.
»Natürlich.«
»Oh, Kalen, ich danke dir!« In einem raren Anfl ug von Begeisterung warf Leanna sich ihm an den Hals und küsste ihn auf den Mund. Ihre Augen funkelten vor Aufregung. »Sei morgen Abend bei der Wanderung zu den Steinen dabei, dann können wir uns hinterher in dem Kreis lieben.«
Kalen entwand sich ihrer Umarmung. »Nein, kommt nicht in Frage! Du weißt, was ich von deinen Führungen halte, Leanna. Da mache ich nicht mit.«
»Aber du musst, Kalen! Die sexuelle Energie, die während der Führung frei wird, stärkt die Macht des Kreises. Und wir brauchen alle Magie, die wir bekommen können, wenn wir wollen, dass es funktioniert.«
Wenngleich er ihr nicht widersprechen konnte, gab es Grenzen, die Kalen nicht überschritt. Und eine von ihnen war Sex in der Öffentlichkeit.
»Ich zeuge unser Kind nicht vor Publikum.«
Leanna schmollte. Einen Moment lang dachte er, sie würde ihn überreden wollen, aber dann zuckte sie nur mit den Schultern. »Ich bitte dich bloß, als Zuschauer bei der Führung mitzumachen. Und wenn alle gegangen sind, lieben wir uns in dem Kreis – allein.«
Er zögerte. Bei einer von Leannas Sidhe-Sex-Magieführungen mitzumachen war unter seiner Würde. Aber einen Abend lang könnte er es wohl ertragen. Immerhin war es für einen guten Zweck.
»Na schön«, sagte er. »Ich werde dort sein.«
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Reisen war dieser Tage eine echte Tortur.
Christines Zug bremste abrupt irgendwo zwischen Frankfurt und Paris. Probleme auf dem Gleis. Schon wieder. Ver- dammt! Sie hatte gerade ihre letzte Tüte Kartoffelchips geleert. Wie sie das leid war! Zwei Abende zuvor war ein plumper Fluch auf den Gleisen nahe Verona explodiert. Am nächsten Tag griff ein Rudel tollwütiger Werwölfe ihren Zug bei Innsbruck in den österreichischen Alpen an. Später am selben Tag steckte Christine wegen eines Stromausfalls in München fest. Und jetzt … Sie seufzte. Sie wollte es gar nicht wissen, sondern hoffte bloß, dass der Zugführer die Sache bald wieder im Griff hatte. Wie es aussah, wäre sie zu Fuß schneller in Schottland gewesen. Nach einer Stunde verriet ein Ruckeln, dass das Problem behoben war. Weitere zwanzig Stunden vergingen, in denen Christines erster Zug aus Paris ausfi el, sie mit dem nächsten durch den dunklen Kanaltunnel fuhr, wobei ihr ein bisschen schlecht wurde, und sie schließlich am Londoner King’sCross-Bahnhof ankam. Und hier erlebte sie endlich wieder einmal etwas Gutes.
Es regnete.
Genau genommen goss es. Heftig. Sie lief über den Bahnsteig zum Ausgang und blieb draußen auf der Straße stehen, um sich vom Regen durchnässen zu
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