Immortal Guardians: Dunkler Zorn (German Edition)
zum Pferdeschwanz zusammengebunden trug, reichte ihm fast bist zum Hintern. Er hatte eine gerade Nase, ein kräftiges Kinn und Augen, die so dunkel waren, dass sie fast schwarz wirkten.
Wie Marcus trug er dunkle Kleidung: schwarze Hosen und einen schwarzen Pulli mit angedeutetem Rollkragen. Einen langen schwarzen Mantel. Alles von erstklassiger Qualität und maßgeschneidert. Was von seiner Haut zu sehen war, war braun gebrannt und makellos.
Marcus musterte ihn grimmig. Seth hätte ihm wenigstens Hilfe anbieten können.
»Ich will dir etwas vor Augen führen«, erklärte Seth.
Na toll. »Hör’ auf, meine Gedanken zu lesen.«
»Sobald du sie in den Griff bekommen hast.«
Ohne zu antworten, humpelte Marcus weiter in Richtung Wohnzimmer.
Seth war der selbsternannte Anführer der Unsterblichen Wächter. Er war ihr Mentor und derjenige, der sie bestrafte, wenn sie die Grenzen verletzten, die er ihnen setzte.
Er hatte sie – einen nach dem anderen – ausfindig gemacht, als sie noch frischgebackene Unsterbliche waren. Die meisten waren gegen ihren Willen mit dem Virus infiziert worden, und Seth war derjenige gewesen, der ihnen den Weg in ein neues Leben gezeigt hatte. Er hatte ihnen erklärt, was Vampirismus war: Das Resultat eines parasitären – oder, wie er es ausdrückte, symbiotischen – Virus, das ihre Körper auf wundersame Weise veränderte. Der Nachteil war, dass sie ihn regelmäßig mit Blut versorgen mussten. Er zeigte ihnen, wie sie es schafften, ihre Blutgier zu kontrollieren.
Er brachte ihnen alles bei, was er wusste. Er trainierte sie. Er führte sie an.
Er war der Erste ihrer Art und der Älteste (auch wenn er keinen Tag älter als dreißig aussah), und er besaß die größte Macht von allen. Seine Macht war so groß, dass er sich als einziger Unsterblicher unbeschadet im Sonnenlicht bewegen konnte.
Marcus ließ sich mit einem Ächzen auf die Sofakissen fallen und schnitt eine Grimasse, als ihm klar wurde, dass er alles mit Blut beschmierte. »Du hast nicht zufälligerweise eine Blutkonserve dabei?«
Mit einem sanften Lächeln lehnte sich Seth gegen den Kaminsims. »Keine, die ich dir geben möchte.«
Natürlich nicht . Allmählich musste sich Marcus wirklich etwas einfallen lassen. Er blutete immer noch aus mehreren Wunden und wurde allmählich schwächer. Da gerade kein hochwillkommener Einbrecher zur Hand war, würde er das Haus verlassen müssen, um zu trinken.
»Warum bist du noch mal hier?«
Seths Lächeln wurde berechnend, und Marcus verspürte leichtes Unbehagen. »Es gibt da jemanden, den ich dir gern vorstellen würde.«
Ungeduldig an ihrer Unterlippe nagend, wartete Ami darauf, dass Seth sie zu sich rief. Als sie bei einem Blick auf ihr Handgelenk entdeckte, dass auf dem dunkelblauen Untergrund ihres Pullis kein Metall glänzte, fluchte sie leise. Sie hatte schon wieder vergessen, ihre Armbanduhr anzulegen.
Wie viel Zeit war vergangen, seit Seth das hübsche zweistöckige Haus betreten hatte? Zehn Minuten? Zwanzig? Fünfzig?
Sie verließ die Veranda, marschierte den langen Fußweg hinunter bis zur Einfahrt und wieder zurück. Das Haus lag mehrere Kilometer außerhalb von Greensboro am Stadtrand, wo es nur noch vereinzelt Häuser gab und die Nachbarn weit genug weg wohnten, sodass man von ihnen weder viel sah noch hörte.
Das Haus, vor dem Ami stand, war aus rotem Backstein und besaß eine große Garage. Die glänzende schwarze Tür wurde von einem Trittschutz aus Messing geziert. Der Garten … hatte dringend etwas Pflege nötig. Der Boden war mit Blättern und Kiefernnadeln bedeckt. Was vom Rasen übrig war, musste dringend in Form gebracht und von Unkraut befreit werden. Sich selbst überlassene Graswurzeln wucherten über den Gehweg und waren auf dem besten Weg, die Asphaltdecke unter sich zu begraben. Geistesabwesend trat Ami nach einem Grasbüschel, als sie das vierzigste oder fünfzigste Mal an derselben Stelle vorbeitigerte.
In der kühlen Nachtluft kondensierte ihr Atem zu weißen Wölkchen. Zitternd wünschte sie sich, dass sie ihre Jacke nicht hätte ausziehen müssen, damit Seth die Blutflecken nicht sah.
Endlich erklang Seths warme Stimme in ihrem Kopf. Würdest du uns Gesellschaft leisten, Ami?
Sie wischte sich ihre plötzlich feuchten Handflächen an der Jeans ab und griff nach ihrem lockigen, roten Haar, um sich zu vergewissern, dass ihrem akkuraten Pferdeschwanz, der ihr kaum bis zu den Schultern reichte, keine Strähne entwischt war. Dann griff sie nach
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