Immortals after Dark 04 - Tanz des Verlangens
Spielraum, um seine Hände unter seinen Füßen hindurchzuziehen und die Fesseln vom Bettrahmen zu lösen. Er stand auf und schmetterte seine Schulter so lange gegen den Türrahmen, bis sie wieder da saß, wo sie hingehörte, und stürmte dann nach unten. Schließlich gelangte er in den Ballsaal, indem er dem Rosenduft folgte.
Dem Saal war von der Zeit – und von Conrad – übel mitgespielt worden. Doch in diesem Moment erschien er so, wie er vor achtzig Jahren ausgesehen haben musste. Der Marmorfußboden war eine einzige spiegelnde Fläche unter dem Licht von, wie es schien, tausend Kerzen. Der ganze Raum war mit frisch geschnittenen Rosen, gestärkten Tischdecken und offensichtlich kostspieligem Mobiliar herausgeputzt worden. Die Quelle jener gespenstischen Musik war nicht auszumachen.
Unwirklich. Die Situation ähnelte stark einer Halluzination. Aber er glaubte nicht, dass es sich um eine solche handelte. Dann sah er, wie sie den Raum betrat, als ob sie sich in Trance befände.
„Néomi?“
Sie antwortete nicht, sondern fing an zu tanzen. Sie begann langsam, wobei sie es irgendwie schaffte, Brust, Kopf und Arme vollkommen stillzuhalten, während sie das Bein ausstreckte und sich um sich selbst drehte. Mit zunehmendem Tempo begann sie die Arme zu schwenken, mit präzisen und doch flüssigen Bewegungen. Sie bewegte sich wie fließende Seide, als ob keinerlei Knochen die Bewegungen ihrer Arme behinderten.
„ Tantsija “, murmelte er überwältigt.
Sogar er erkannte einige der Schritte aus dem klassischen Ballett, aber sie füllte sie mit Sinnlichkeit. In ihrer Art zu tanzen lag etwas … Suggestives, als ob sie es täte, um einen Mann anzulocken.
Es funktionierte. Ihre Bewegungen lösten Emotionen in ihm aus.
Aus gewissen Perspektiven wirkte Néomi gespenstisch, doch er hatte noch nie zuvor etwas so Wunderschönes gesehen. Ihre Haut leuchtete, ihre blassen Lippen wirkten wie eine zarte Schleife. Die rauchigen Konturen rund um ihre Augen betonten die blauen Iris noch. Die Schatten unter ihren Wangen ließen diese noch schärfer hervortreten.
Ihr Gesicht strahlte pures Glück aus, nahezu unbeschwerte Freude. Sie zu betrachten beruhigte ihn, und er vergaß seine frühere Enttäuschung. Auch die Erinnerungen anderer schafften es nicht, den Bann dessen, was er sah, zu brechen. Mit jeder Sekunde zogen sie sich weiter zurück, bis sie dann, zum ersten Mal seit Jahrhunderten, vollkommen verschwanden.
Eine tote Tänzerin mit freudestrahlendem Gesicht stimmte ihn … erwartungsvoll . Er hatte das Gefühl, sich noch auf etwas freuen zu können – sie noch einmal tanzen zu sehen, mit ihr zu reden.
Zuvor hatte er die Tatsache akzeptiert, dass er bald sterben würde, hatte geglaubt, dieses Schicksal zu verdienen. Er war ein Vampir, ein Wesen, das zu hassen man ihn sein Leben lang gelehrt hatte.
Jetzt … er war noch ganz und gar nicht für das Ende bereit. Während er sie beobachtete, dachte er: Ich werde wahrscheinlich nicht mehr auf sie verzichten können.
Er kniff die Augen zu Schlitzen zusammen. Ich will … die Tänzerin.
Mit ihr zusammen unter der Dusche hatte er erkannt, dass sie auf irgendeine Art und Weise etwas Besonderes für ihn war. Heute Abend hatte seine Vermutung neue Nahrung gefunden, dass sie seine Braut sein könnte. Jetzt leugnete er es nicht länger. Dass sie ihn nicht erweckt hatte, musste wohl daran liegen, dass sie genau genommen nicht am Leben war.
Néomi ist die Meine.
Dass ihm eine solche Frau anvertraut wurde …
Könnte er seine Rachepläne auf Eis legen – für eine Chance mit ihr? Und die Gewissheit, dass er bald schon tot sein würde?
Mühelos wirbelte sie auf den Zehenspitzen über die Tanzfläche, sodass ihr schwarzer Rock und ihr langes Haar wild um sie herum flogen. Ihre Anmut schnürte ihm die Brust ab.
Ja, er könnte es. Sie gehört mir. Und ich werde sie besitzen. Sicher, es gab Hindernisse, aber es war seine Spezialität, alles, was sich ihm in den Weg stellte, zu eliminieren.
Bald wurden ihre Schritte sogar noch schneller. Da stimmt was nicht. Draußen begannen gelbe Blitze vor der Sichel des zunehmenden Mondes zu zucken, und der Wind toste durch die Zweige, sodass es Blätter regnete. Langsam alterte der Raum, er verfiel direkt vor seinen Augen. Dann endete die Musik abrupt.
Der Boden war mit Rosenblättern bedeckt.
Conrad stürzte auf sie zu – die Ketten hinderten ihn daran, sich zu translozieren. Doch bevor er sie erreichte, beschleunigte sie das Tempo noch
Weitere Kostenlose Bücher