Immortals after Dark 09 - Sehnsucht der Dunkelheit
zur Hälfte verborgenes Gesicht glich einer bleichen, toten Maske. Viel Glück, ihr verrückten Hühner.
Chase zuckte lediglich mit den Achseln und drehte sich wieder zum Fenster um. Doch die Anspannung in seinen Schultern war so auffällig, dass sie sich fragte, wie es ihm gelang, aufrecht stehen zu bleiben.
»Ihr habt echt Mumm, dass ihr es wagt, eine Walküre zu kidnappen, das muss ich euch lassen«, sagte Carrow. »Aber ihre Schwestern werden kommen und sie holen. Und was das angeht, ihr hättet euch lieber nicht mit dem Haus der Hexen anlegen sollen. Die Koven werden euer kleines Gefängnis finden und dann Kleinholz daraus machen.« Obwohl sie recht zuversichtlich klang, hatte sie inzwischen den Verdacht, dass die Insel auf irgendeine Art getarnt war. Mittlerweile musste Mariketa längst erfahren haben, dass Carrow entführt worden war, und wenn ihre mächtige Freundin ihren Aufenthaltsort noch nicht hatte entdecken können – oder auch eine Hellseherin nicht – , dann war es wohl unmöglich, ihn zu finden.
»Werden sie das?« Sein Tonfall war selbstzufrieden. Viel zu selbstzufrieden. »Dann werde ich meine Sammlung wohl erweitern können.«
» Sammlung? «
»Magister Chase tut nur, was getan werden muss«, mischte sich Dixon hastig ein. »So wie wir alle. Immer wenn die Unsterblichen eine Verschwörung anzetteln, erheben wir uns, die Wächter, so wie wir es schon seit Jahrhunderten tun.«
»Verschwörung?«
Dixon nickte. »Ihr plant, die Menschheit auszulöschen und die Weltherrschaft zu übernehmen.«
Carrows Mund öffnete sich ungläubig. »Darum geht es hier also? Meine Götter, das ist einfach lächerlich! Wollt ihr ein Geheimnis erfahren? Es gibt keinen Plan, euch zu töten, weil ihr unserer Beachtung gar nicht wert seid!«
Igitt – fanatische Menschen! Manchmal hasste sie sie wirklich von ganzem Herzen.
»Wir wissen, dass ein Krieg zwischen uns bevorsteht«, widersprach Dixon. »Wenn wir euch nicht unter Kontrolle halten, werdet ihr uns alle vernichten.«
Carrow starrte sie mit zusammengekniffenen Augen an. »Langsam gefällt mir die Idee – vor allem wenn ich dann gegen Sterbliche wie euch kämpfen kann. Kapiert ihr das denn nicht? Menschliche Fanatiker sind viel größere Ungeheuer als jedes Mythenweltgeschöpf.«
»Größere Ungeheuer als die Libitinae?«
Die Libitinae zwangen Männer häufig, sich selbst zu kastrieren oder sich umzubringen. Nur so zum Spaß.
»Oder die Neoptera vielleicht?«, fuhr Dixon fort.
Insektenartige Humanoide – der Stoff, aus dem Albträume bestehen. Als Dixon Letztere erwähnte, versteifte sich Chase sogar noch mehr, und die Muskeln an seinen Kiefern traten hervor. Interessant.
Carrow beobachtete Chase, um ja keine Reaktion zu verpassen, als sie langsam antwortete. »Nein, ich muss zugeben, dass die Neoptera wirklich abartig sind. Sie töten ihre Beute nicht, sondern behalten sie und quälen sie Stunde um Stunde.«
Bildeten sich da etwa Schweißtropfen auf seiner Oberlippe? Wenn diese Kreaturen Chase in die Finger bekommen hatten … Carrow wusste, was diese Wesen unter Spaß verstanden, was sie mit der Haut ihrer Opfer anstellten. Bei dem Gedanken drehte sich ihr der Magen um.
War das etwa der Grund, wieso Chase seinen Körper nahezu vollständig verhüllte? Aber wie war es möglich, dass er noch bei Verstand war? Oder war er das eben nicht mehr?
Die Gerüchteküche innerhalb des Gefängnisses brodelte, wenn es um diesen Mann ging. Offensichtlich hasste er jegliche Berührung und hatte sogar einmal einen Untergebenen umgehauen, der den Fehler begangen hatte, ihm auf die Schulter zu tippen.
Das würde die Handschuhe erklären.
Beinahe hätte sie einen Hauch Mitleid für ihn verspürt, bis er mit heiserer Stimme hervorstieß: »Die Hexe hält sich für etwas Besseres.«
Die Hexe spricht mit einem Wahnsinnigen. »Okay, offensichtlich kann man mit euch nicht mehr vernünftig reden, also kommen wir gleich zum springenden Punkt: Warum habt ihr mich gekidnappt?«
»Unser Ziel ist nicht nur, dich zu studieren«, antwortete Dixon, »sondern deine Existenz zu verbergen. Die meisten Unsterblichen bewegen sich unter dem Radar, während du dich hingegen vor den Menschen mit deiner Macht brüstest.«
Genau aus diesem Grund war Carrow schon wiederholt von ihrem Koven ermahnt worden. Aber sie benutzte ihre Kräfte niemals in Gegenwart nüchterner Menschen, wie sie nie müde wurde zu erklären. »Und warum habt ihr mich heute Nacht herbringen lassen?«
»Du
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