Immortals after Dark 09 - Sehnsucht der Dunkelheit
hinter Gittern zu wandern. »Machst du das nur, um es deinen Eltern heimzuzahlen?«
»Zuerst ja«, hatte Carrow geantwortet. »Mittlerweile ist es eine liebgewordene Tradition.«
Als Nïx nichts sagte, wurde Mari still. »Die Unsterblichen haben sich nicht erhoben, oder, Walküre?«
»Haben wir nicht?« Sie runzelte die Stirn. »Ich muss unbedingt mal meine Mails checken. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass wir bald kämpfen werden, vielleicht, zumindest ein kleines bisschen. Zum Beispiel gegen diese industriellen Luftverschmutzer, gegen Leute, die kleinen Kindern die Süßigkeiten klauen, und gegen diese Autofahrer, die immer über die linke Spur schleichen. Ach, und selbstverständlich gegen Männer, die Members Only -Jacken tragen.«
Mari starrte die anderen Walküren an. Nicht alle von ihnen wirkten überrascht. Ein paar von ihnen hoben das Kinn. »Seid ihr alle so verrückt geworden wie Nïx?«
Nur wenige Geschöpfe der Mythenwelt wagten es, sie zu verärgern, aber wenn einer dieses Risiko eingehen würde, dann ihre Halbschwestern.
»Vor einigen Jahren kam es zu einer Krise mit dem Orden«, fuhr Nïx fort, »als sie ihre Feuerkraft mächtig überschätzten und einen Angriff gegen uns wagten. Trotz ihrer ganzen Technologie wurden sie alle abgeschlachtet. ›Unverzeihlich!‹, meinten sie. Und jetzt studieren sie uns, um unsere Schwächen herauszufinden. Dabei kann ich ihnen nicht mal einen Vorwurf machen. Wenn die Menschen für uns irgendeine Art Geheimnis darstellten, würden wir sie vermutlich ebenfalls vivisezieren.«
Vivisezieren? Mari schluckte. Jemanden aufschneiden, während der Betreffende noch am Leben war? Ihre Stimme brach, als sie die nächste Frage stellte.
»Wie kann ich Carrow finden?« Als Nïx nur mit den Achseln zuckte, schwor Mari: »Dann befrage ich eben den Spiegel, Nïx!«
Mari war eine Captromagierin und konnte durch Spiegel reisen. Wenn sie sie berührte, vermochte sie ihre Kräfte zu konzentrieren, und wenn sie in sie hineinsah, enthüllten sich ihr Geheimnisse. Mit Letzterem gab es allerdings ein winziges Problem: Mari konnte zwar mit einem Spiegel kommunizieren und innerhalb von Sekunden Carrows Aufenthaltsort herausfinden, allerdings würde sie sich durch ihre Trance höchstwahrscheinlich in eine Art mystisches Koma versetzen, und das vermutlich für immer.
Nïx hob eine Augenbraue. »Und was würdest du deinem überfürsorglichen Lykae-Ehegatten erzählen? Wenn er herausfindet, was du vorhast, prügelt er dich windelweich.«
Bowen würde in der Tat ausrasten, wenn seine Werwolfnase auch nur den Hauch eines Hinweises auf ihren Plan erschnupperte. Er würde es niemals erlauben, auch wenn die Lykae langsam fürchteten, dass einer der ihren ebenfalls von diesen Leuten in eine Falle gelockt worden war.
»Weil wir Freundinnen sind, biete ich dir meine bescheidenen Dienste als Prügelmädchen an.« Nïx’ Worte klangen scherzhaft, aber sie rieb sich die Stirn, als ob sie Schmerzen hätte.
Mari musterte ihre Miene und gelangte zu dem Schluss, dass Nïx erschöpft aussah. »Ich werde den Spiegel nicht befragen, wenn du mir etwas sagst, das mir weiterhilft.«
Mit einem Mal erstarrte Nïx. Als ihre Bernsteinaugen zu leuchten begannen, kamen die anderen Walküren näher, in Erwartung des Ausblicks – oder Einblicks – , den Nïx ihnen gleich bieten würde.
»Sie sind auf einer Insel, die von unserer Art nicht gefunden werden kann«, sagte sie. »Sie kann weder von einem Boot noch von einem Flugzeug aus gesehen, noch auf irgendeiner Karte lokalisiert werden. Um sie zu finden, muss man nach etwas anderem suchen. Um sie zu erreichen, muss man den Schlüssel entdecken.«
Jetzt auch noch ein Rätsel? »Den Schlüssel? Was soll das sein?«, fragte Mari.
»Wer.«
»Was?«
»Wo? Warum? Wann?«
»Nïx!«
»Der Schlüssel ist ein Wer, kein Was.«
»Und wer ist es?«, fragte Mari. Oh ihr Götter, bitte verrat es mir.
»Ich weiß nicht mehr.« Mari überschüttete sie mit einem empörten Wortschwall, bis Nïx weitersprach. »Ich erinnere mich nur daran, dass er ein Unsterblicher ist. Erfüllt vom Bösen und besessen von etwas so Unberührbarem wie Rauch. Findest du ihn, erreichst du die Insel.« Sie erhob sich. »Ich habe viel zu tun, junge Mariketa. Und mehr kann ich dir nicht sagen, weil ich nicht mehr weiß.« Sie starrte an die Decke, während sie sich mit einem klauenbewehrten Finger gegen das Kinn tippte. »Ooh, oooh, da ist noch eine Sache: Carrow wird in unmittelbarer
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