Immortals after Dark 09 - Sehnsucht der Dunkelheit
seine Fänge hatten sich stumpf zurückgezogen, ganz gleich, wie dringend er ihr Blut auch brauchte. Ich werde mich nicht von meiner eigenen Art nähren. Ich bin kein Vampir.
Jede Nacht hatte Malkom eine Vielzahl von Torturen über sich ergehen lassen müssen. Sie hatten mit Widerhaken versehene metallene Peitschen benutzt, um ihm die Haut vom Körper zu reißen, sie hatten mit seinen eigenen, zerschmetterten Knochen sein Fleisch durchbohrt, und er hatte zusehen müssen, wie ihm glühende Eisen zwischen die Rippen gestoßen worden waren.
Sein Zorn über Kallens Tod hatte ihn stark gemacht. Malkom würde niemals vergessen, wie er dazu gezwungen worden war, seinen einzigen Freund zu töten.
Und dann kam der Tag, an dem der Vizekönig Malkom einen Sklaven präsentiert hatte, der anders war als alle vor ihm, ein Sklave, der wertvoller war als der Rest. Der Vampir hatte Malkom für zu schwach gehalten, um eine Bedrohung darzustellen. Er hatte gedacht, er wäre betäubt und könnte nicht reagieren. In beiden Punkten hatte er sich getäuscht.
Der Albtraum beschwor erneut diese verschwommene Nacht voller Schreie. Blut, das die Wände bespritzte … Dann eine weitere Szene: Malkom träumte von einem weinenden Mädchen, das sich vor einem Spiegel das schwarze Haar kämmte. Er sah ihr Spiegelbild wie durch ihre eigenen funkelnden grünen Augen hindurch.
Carrow? Sie musste es sein, als Kind. Sogar inmitten des Traums wusste Malkom, dass diese Szene tatsächlich geschehen war, dass dies eine ihrer Erinnerungen war, die sich mit ihrem Blut auf ihn übertragen hatte. Einige Vampire besaßen dieses Talent, unter anderem der Vizekönig. Und es war sein Blut gewesen, das sein eigenes infiziert hatte.
Ich werde Zeuge ihrer Vergangenheit.
Jemand läutete eine Glocke und rief nach »Lady Carrow«. Lady bedeutete Adel. Er hatte ja schon vermutet, dass sie von edler Geburt war.
Als die Glocke erneut erklang, wischte sich Carrow rasch mit dem Handrücken die Tränen fort. Er konnte fühlen, dass sie unglücklich und tief betrübt war, weit mehr, als sie es ihrem Alter nach hätte sein dürfen, aber er wusste nicht, wieso.
»Schon gut, schon gut«, sagte sie. Sie trocknete sich die Augen, während sie sich fragte: Sie haben mich tatsächlich eingeladen, mit ihnen zu speisen?
Auch wenn sie Anglisch sprach und dachte, verstand er jedes Wort.
Sie verließ den Raum und betrat einen noch größeren – größer als jede Wohnstätte in der Stadt Ash. Ihr Schlafzimmer? Fenster und Bett waren mit genug Seidenstoffen verziert, um Hunderte von Gewändern zu fertigen. Es sah aus, als ob sämtliche Seide der ganzen Welt in diesem einen Raum verarbeitet worden wäre.
Sie war reich. Wie konnte sie da unglücklich sein?
Von ihrem Zimmer aus eskortierten sie Diener durch eine Halle in einen warmen, hell erleuchteten Bankettsaal. Ein mit unzähligen Köstlichkeiten beladener Tisch erstreckte sich beinahe über die gesamte Länge des riesigen Raumes. Dampf stieg von den Gerichten auf – es war mehr, als eine einzelne Person in einem ganzen Jahr zu sich nehmen könnte – , und Diener in einer prächtigen Livree säumten die Wände.
An dem einen Ende des Tisches saßen ein Mann und eine Frau. Carrow ging schweren Schrittes zum anderen Ende und begrüßte die beiden mit niedergeschlagener Stimme: »Mutter. Vater.«
Die Frau neigte den Kopf, sodass zahlreiche Juwelen im Licht funkelten. »Carrow.« Aber sie sah ihre Tochter nicht an. Malkom fragte sich, ob sie blind war.
Ihr Vater war glatt rasiert, sein Haar kurz geschnitten und ordentlich frisiert. Ihre Kleidung kam ihm fremdartig vor, war aber unverkennbar von feinster Machart.
Das sind ihre Leute, das ist ihr Leben. Malkom nahm überwältigt zur Kenntnis, wie sauber es dort war und in welcher Fülle alles vorhanden war. Silber glänzte, Kristall reflektierte das Licht eines Kronleuchters. Sauberer, glänzender Reichtum.
Ich war in Lumpen gekleidet, mein Körper dreckig, mein Gesicht unrasiert. Kein Wunder, dass sie ihn gewaschen hatte. Selbst im Schlaf empfand er tiefe Scham.
Diener eilten herbei, um jeden Wunsch sogleich zu erfüllen. Sie rückten Carrow den Stuhl zurecht und taten ihr auf. Doch sie aß nicht, schob das Essen nur auf ihrem Teller hin und her. Ihr Magen war wie zugeschnürt, und sie verspürte Übelkeit, die sich noch mit jeder Minute verstärkte, in der ihre Eltern sich in arrogantem Tonfall miteinander unterhielten, ohne sie zu beachten.
»Mutter, Vater«, sagte sie
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