Immortals after Dark 09 - Sehnsucht der Dunkelheit
Wie schlimm hatte sie ihn tatsächlich verletzt?
Nachdem er fort war, starrte sie auf den Ausgang. Solange sie lebte, würde sie niemals den Ausdruck auf seinem Gesicht vergessen. Die Enttäuschung in seiner Miene nagte an ihr – und das verwirrte sie.
Sie säuberte sich und zog sich an. Dann begann sie, rastlos in der Höhle herumzulaufen. Er hatte sie soeben verletzt, also sollte es ihr nichts ausmachen, dass sie ihn im Gegenzug ebenfalls verletzt hatte. Und doch war sie nur völlig durcheinander.
Sie hatte das Gefühl, dass er etwas ganz Bestimmtes von ihr erwartet hatte, wusste aber nicht, was. Dennoch war ihr klar, dass sie ihn enttäuscht hatte.
In ihrer Aufregung durchsuchte sie schließlich Lindts Rucksack nach der Flasche mit dem Jack Daniel’s. Sie fragte sich, ob er wohl noch gut sei, und kam zu dem Schluss, dass der Alkohol schließlich vom Alkohol konserviert wurde.
Während sie die Flasche anstarrte, überlegte sie, wie es in ihrem Leben nur so weit hatte kommen können. Ihr Möchtegernliebhaber war ein total ausgeflippter blutsaugender Dämon. Außerdem stand sie kurz davor, einen Verrat zu begehen, den sie auf keinen Fall begehen wollte. Und als Krönung gab es da ein kleines Mädchen, dessen Leben einzig und allein in Carrows Hand lag.
Sie wusste ohne jeden Zweifel, dass Ruby ihr gesamtes Leben auf den Kopf stellen würde. Und trotzdem vermisste Carrow sie wie verrückt, konnte es kaum erwarten, ihr gemeinsames Leben zu beginnen. Es würde ihr jedenfalls bei keinem ihrer Probleme helfen, wenn sie sich jetzt betrank. Aber schaden kann’s auch nicht. Carrow hob die Flasche an den Mund, nahm einen kräftigen Schluck und genoss das Brennen in ihrer Kehle.
Was sollte sie nur mit Malkom tun? Wenn sie die Möglichkeit außer Acht ließ, ihn erbarmungslosen Sterblichen auszuliefern, die ihre perversen Experimente an ihm durchführen wollten.
Es war einfach alles so verdammt schwierig zwischen ihnen. Warum hatte Carrow denn nicht einen Kerl wie Mariketas Mann finden können? Deren Ehemann, Bowen MacRieve, vergötterte und verwöhnte sie. Er war ein extrem gut aussehender Werwolf, der dazu auch noch witzig und geistreich war.
Carrow hingegen war die Gefährtin eines Dämons, der auf Blut stand, möglicherweise sogar mehr als auf Sex mit ihr. Mit diesem Dämen konnte sie sich noch nicht mal über die aktuelle Ereignisse unterhalten, er war nicht in der Lage, mit Besteck umzugehen, und hatte erst kürzlich die Vorzüge regelmäßiger Körperhygiene überhaupt entdeckt.
Mari hatte einmal erwähnt, dass Bowen nicht dieselben Filme mochte wie sie. Und Carrows Kerl? Der wusste nicht mal, was ein Film war.
Sie konnte einfach nicht anders, als Mari zu beneiden. Sie hatten sich verbunden gefühlt, weil ihre Eltern sie beide verlassen hatten. Maris Eltern hatten sie allerdings weggegeben, um gegen das Böse zu kämpfen und die Welt zu einem besseren Ort für ihre geliebte Tochter zu machen. Carrows Erzeuger hingegen wollten einfach nur auf einer paradiesischen Ebene mit ewig mildem Klima Golf spielen.
Mari verdiente alles, was das Schicksal ihr schenkte. Aber ich verdiene auch liebende Eltern und einen tollen Mann, verdammt noch mal!
Wo zur Hölle blieb Malkom nur? Die Uhr tickte, und er war der Schlüssel zu ihrer und Rubys Freiheit. Das ist der einzige Grund, wieso es mich kümmert, wo er ist. Immerhin hatte der Mistkerl sie gebissen! Schon wieder! Er hatte an ihrer Brust genuckelt wie ein pickliger Jüngling an seiner Bierflasche. Er hat seinen Schwur gebrochen.
Dennoch war es eigentlich absolut unangebracht, ihm deswegen Vorhaltungen zu machen, zumal sie in absehbarer Zeit seine Fähigkeit, anderen zu vertrauen, vermutlich für immer zerstören würde.
Warum war nur alles so verdammt schwierig?
Als die Flasche leer war, beschloss sie, dass sie jetzt betrunken war – und dass er inzwischen auf jeden Fall zurück sein musste. Da sie sich stark genug fühlte, sogar ein X-Monster fertigzumachen, wenn nötig, beschloss sie, ihm zu folgen. Sie schnappte sich eine Taschenlampe und ging mit etwas unsicheren Schritten durch die Mine.
Als sie den Ausgang erreichte und der Wind wie eine Ohrfeige auf ihr Gesicht traf, nuschelte sie: »Scheiße, ich hasse diesen Ort!«
Sie stand kurz davor, auch ihn zu verfluchen, tat es aber nicht. Sie hasste ihn nicht für das, was er getan hatte. Jetzt, wo sie die Dinge etwas betrunkener sah, war sie längst nicht mehr davon überzeugt, dass er ihr Blut getrunken hatte
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