Imperator 01 - Die Tore von Rom
die warme Dunkelheit über die Felder und Wege des Gutes. Die Luft war vom Duft der Blumen und Früchte erfüllt, die Grillen zirpten in den Büschen. Sie kamen zu der Stelle, an der sie noch vor ein paar Stunden mit Tubruk gestanden hatten, die Ecke der mit Pflöcken markierten Grenze des neuen Feldes.
Weil der Mond so wenig Licht gab, musste Gaius sich den Weg mit Hilfe der Schnur ertasten, bis er zu dem Fleck mit der aufgebrochenen Erde kam. Hier blieb er stehen und zog ein schmales Messer aus dem Gürtel, das er aus der Küche mitgenommen hatte. Er sammelte sich und zog die scharfe Klinge über seinen Daumenballen. Sie drang tiefer als beabsichtigt ein, Blut strömte über seine Hand. Dann reichte er Marcus das Messer und hielt, ein wenig besorgt über die Verletzung, seinen Daumen hoch, um die Blutung zu verlangsamen.
Auch Marcus zog die Klinge über seinen Daumen, zuerst einmal, dann noch ein zweites Mal. Seine Schnitte waren weniger tief, und er musste sie zusammendrücken, damit ein paar Blutstropfen hervorquollen.
»Ich hab mir den Daumen fast abgeschnitten!«, sagte Gaius gereizt.
Marcus versuchte, ernst zu bleiben, schaffte es jedoch nicht. Er streckte die Hand aus, und in der Dunkelheit pressten sie ihre Handflächen aneinander, sodass sich ihr Blut vermengte. Dann drückte Gaius seinen pochenden, blutenden Daumen in die aufgebrochene Erde. Marcus sah ihn lange an, bevor er es ihm nachmachte.
»Jetzt bist auch du ein Teil dieses Anwesens, und wir sind Brüder«, verkündete Gaius feierlich.
Marcus nickte. Schweigend traten sie den Weg zu den weitläufigen weißen Gutsgebäuden an. Marcus’ Augen füllten sich mit Tränen, unsichtbar in der Dunkelheit. Verstohlen wischte er sie weg. Seine Hand hinterließ Blutspuren in seinem Gesicht.
Gaius stand oben auf dem Tor des Gutes, schützte die Augen mit der flachen Hand gegen die helle Sonne und sah Richtung Rom. Tubruk hatte gesagt, sein Vater würde aus der Stadt zurückkommen, und er wollte der Erste sein, der ihn auf der Straße entdeckte. Er spuckte sich auf die Finger und zog sie durch sein dunkles Haar, um es glatt zu streichen.
Er genoss es, dem täglichen Einerlei zu entkommen. Die Sklaven unter ihm sahen nur hin und wieder zu ihm herauf, wenn sie von einem Gebäude zum anderen gingen. Es war ein seltsames Gefühl, zu beobachten und dabei selbst unbeobachtet zu sein: ein Augenblick der Zurückgezogenheit und Stille. Wahrscheinlich suchte seine Mutter irgendwo nach ihm, damit er ihr beim Obstpflücken den Korb trug, oder Tubruk suchte jemanden, der die Ledergeschirre der Pferde und Ochsen wachste und ölte, das oder tausend andere kleine Aufgaben warteten auf ihn. Irgendwie hoben all diese Dinge, die er gerade nicht tat, seine Stimmung erheblich. Sie konnten ihn nicht finden, und er befand sich hier in seinem Geheimversteck und beobachtete die Straße nach Rom. Er entdeckte eine Staubwolke und stellte sich auf den Torpfosten. Er war sich nicht sicher. Der Reiter war noch weit weg, aber diese Straße führte an nicht allzu vielen Gütern vorbei, und so standen die Chancen gut.
Nach ein paar Minuten erkannte er den Mann auf dem Pferd und stieß einen Jubelschrei aus. Mit wirbelnden Armen und Beinen kletterte er eilig nach unten. Das Tor war schwer, doch Gaius warf sich mit seinem ganzen Gewicht dagegen, bis es knarrend so weit aufschwang, dass er sich hindurchzwängen konnte, um seinem Vater auf der Straße entgegenzurennen.
Seine Kindersandalen klapperten auf dem trockenen Boden, und er holte kräftig mit den Armen aus, als er auf die näher kommende Gestalt zurannte. Sein Vater war einen ganzen Monat fort gewesen, und Gaius wollte ihm unbedingt zeigen, wie viel er in der Zwischenzeit gewachsen war. Zumindest behaupteten das alle.
» Tata !«, rief er freudig. Sein Vater hörte ihn und zügelte das Pferd, als der Junge auf ihn zugerannt kam. Er war müde und staubig, doch Gaius sah den Ansatz eines Lächelns in den Winkeln seiner blauen Augen auftauchen.
»Ist das ein Bettler oder ein kleiner Bandit, den ich da auf der Straße sehe?«, sagte sein Vater und streckte den Arm aus, um seinen Sohn zu sich in den Sattel zu heben.
Gaius lachte, als er durch die Luft gewirbelt wurde und klammerte sich am Rücken seines Vaters fest. Das Pferd schlug eine langsamere Gangart an und trottete gemächlich auf die Einfriedung des Gutes zu.
»Du bist gewachsen, seit ich dich das letzte Mal gesehen habe«, sagte sein Vater heiter.
»Ein bisschen. Tubruk
Weitere Kostenlose Bücher