Imperfect Match - Liebe ist eigenwillig
„Anna ma’ mich – keine Soage! Wir haddn eine ganse Menge Spaß und sie… sie war auch gar nich sauer, weil ich versuch hab, sie su küssen…“
Ich riss entsetzt die Augen auf. „Du hast versucht, sie zu küssen?!“
„Nicht gleich schrein!“ Er hielt mir den Mund zu. „Sie is einfach sooo heiß, weisu… un ich war schon ein bisschen voll, weisu…“
Mein ganzes Inneres begann sich bei dem Versuch, meinen Zorn zu zügeln und gleichzeitig die Tränen zurückzuhalten, zu verkrampfen. Ich packte seine Hand und riss sie von meinem Mund.
„DU HAST VERSPROCHEN DICH ZU BENEHMEN, COLIN!“ schrie ich ihn nun doch an und er kniff die Augen zusammen, weil meine Stimme für seinen Suffschädel wohl viel zu laut war. Aber das war mir herzlich egal. Er konnte froh sein, dass ich ihm keine klebte!
„Du hast es versprochen! Und dann machst du so einen Scheiß!“
„Es war nur ein winzijes Küsschen, Em“, versuchte er sich herauszureden. „Guck – so…“
Colins Lippen trafen auf die meinen – zum ersten Mal, seit wir erwachsene Menschen waren. Und das taten sie auch nicht zaghaft sondern mit Nachdruck. Mein erster Kuss mit Colin… und es fühlte sich einfach nur grauenvoll an. Feucht, lieblos, unromantisch. Kein Kribbeln, keine Aufregung, keine Schmetterlinge im Bauch. Der Zauber des ersten Mals war buchstäblich non-existent. Und dazu stank Colin auch noch so furchtbar nach Alkohol und Zigaretten, dass mir beinah übel wurde. Ich schob meine Hände zwischen uns und drückte ihn von mir weg – mit solcher Kraft, dass er rückwärts taumelte und sich unsanft aufs Bett setzte.
Ich schnappte nach Luft, fuhr mir mit der Hand über die Lippen, immer wieder, um zu vergessen, was gerade passiert war, dieses Erlebnis auszulöschen. Doch es ging nicht, brannte sich gnadenlos in mein Gedächtnis.
Dein erster Kuss mit Colin. Das war er. Daran lässt sich nichts mehr ändern , hämmerte es in meinem Schädel und die Tränen schossen in meine Augen, ließen sich nicht mehr zurückhalten.
„Du… du… Idiot!“ stammelte ich mit erstickter Stimme, während Colin mich nur verständnislos anblinzelte.
„Ach, komm schon, Em“, meinte er und versuchte, wieder auf die Beine zu kommen. „War doch nur’n kleiner Scherz…“
Er streckte die Hände nach mir aus, doch ich wich ihm aus, eilte zur Treppe, nahm diese in Sekunden und war schon im Bad, als Colin mir nachrief: „Heulst du?“
Ich knallte die Tür zu, verriegelte sie und sank dann mit dem Rücken an das Holz gepresst an ihr hinunter, leise in mich hineinweinend. Das Leben war manchmal so wahnsinnig unfair. Warum konnte es nie so verlaufen, wie man sich das wünschte?
Colin folgte mir selbstverständlich nicht – auch nicht, als ich laut zu schluchzen anfing und mir all den Stress und Kummer der letzten Tage von der Seele weinte. Dazu war er viel zu blau und ohnehin zu feige. Er hatte mir mal gesagt, dass er nicht damit klarkam, wenn Frauen seinetwegen weinten. Er wusste dann nicht, was er tun sollte und hatte Angst, Versprechungen zu machen, die er später nicht halten konnte. Aus diesem Grund zog er sich lieber zurück und wartete darauf, dass das weibliche Wesen, das er verletzt hatte, sich wieder von allein beruhigte – oder ganz einfach den Kontakt mit ihm abrach, was ihm oft noch viel lieber war.
Das hieß nicht, dass Colin generell nicht dazu bereit war, andere Menschen zu trösten, und kein Mitgefühl besaß. Er war kein gefühlloser Klotz – auch wenn er manchmal diesen Eindruck erweckte – sondern nur überfordert, wenn er selbst die Ursache für das Unglück anderer war. War er in die Misere nicht persönlich verwickelt, hatte er immer ein Ohr für die Probleme anderer und eine Schulter zum Anlehnen – vor allem für seine engsten Freunde, zu denen ich mich zählte.
Im Grunde war das ja auch das Problem. Colin sah nicht nur außerordentlich gut aus, er hatte auch einen guten, sehr liebenswerten Kern und wenn man den erst mal entdeckt hatte, musste man sich zwangsläufig in ihn verlieben. Dann hielt man auch all seine Macken und sein gelegentliches Fehlverhalten aus, weil man einfach nur noch ihn wollte und keinen anderen! Selbst wenn er einem die schön schnulzige Vorstellung des ersten Kusses gnadenlos zerschmetterte…
Ich seufzte schwermütig, wickelte mir ein paar Blätter von dem Toilettenpapier, das so schön in meiner Reichweite war, ab und schnäuzte lautstark meine Nase. Ich war doch ein dummes Huhn! Da begegnete mir ein
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