Imperium
seinen sechzigsten Geburtstag gefeiert und aus diesem Anlaß eine Party gegeben.
261
ADELAIDE GAZETTE
13. März 1956
Menzies hält an seiner
politischen Linie fest
Das erste Mal fiel sie Townsend auf dem Flug nach Sydney auf. Er las die Gazette. Der Leitartikel hätte eher auf Seite drei gehört, und die Schlagzeile war schwach. Die Gazette hatte inzwischen ein Monopol in Adelaide, doch die Zeitung wurde zusehends schwächer und langweiliger. Townsend hätte Frank Bailey nach der Fusion als Chefredakteur feuern sollen, doch war es ihm damals wichtiger gewesen, erst einmal Sir Colin loszuwerden. Er machte ein düsteres Gesicht.
»Darf ich Ihnen Kaffee nachschenken, Mr. Townsend?«
fragte eine Frauenstimme. Keith blickte zu dem schlanken Mädchen mit der Kaffeekanne hoch und lächelte. Sie mochte etwa fünfundzwanzig sein, hatte blondes, gelocktes Haar und blaue Augen, von denen er den Blick einfach nicht losreißen konnte.
»Ja«, antwortete er, obwohl er gar keinen Kaffee mehr wollte. Sie erwiderte sein Lächeln – das Lächeln einer Stewardeß, das stets gleich blieb, ob bei Dicken oder Dünnen, Alten oder Jungen, Reichen oder Armen.
Townsend legte die Gazette zur Seite und versuchte, sich auf die bevorstehende Sitzung zu konzentrieren. Vor kurzem hatte er für eine halbe Million Pfund eine kleine Druckerei erworben, die auf Werbeblätter für die westlichen Vororte Sydneys spezialisiert war. Dieser Kauf hatte zu keinem anderen Zweck gedient, als in Australiens größter Stadt Fuß zu fassen.
Beim Jahresbankett der Zeitungsverleger im Cook Hotel war
nach Beendigung der Ansprachen ein etwa siebenundzwanzig-262
jähriger Mann von ungefähr einssiebzig mit feuerrotem Haar und den Schultern eines Footballspielers zu Townsend an den Tisch getreten und hatte ihm ins Ohr geflüstert: »Ich warte in der Herrentoilette auf Sie.« Townsend hatte nicht so recht gewußt, ob er lachen oder den Mann einfach ignorieren sollte.
Dann aber hatte seine Neugier die Oberhand gewonnen.
Wenige Minuten später hatte er sich durch die Tische zur Herrentoilette geschlängelt. Der Rothaarige wusch sich gerade die Hände. Townsend trat an das Waschbecken daneben.
»In welchem Hotel sind Sie abgestiegen?« wollte der
Unbekannte wissen.
»Im Town House«, erwiderte Keith.
»Ihre Zimmernummer?«
»Weiß ich noch nicht.«
»Macht nichts, ich finde sie schon heraus. Ich werde gegen Mitternacht auf Ihr Zimmer kommen. Das heißt, falls Sie an der Sydney Chronicle interessiert sind.« Der Rothaarige drehte den Wasserhahn zu, trocknete sich die Hände ab und ging.
In den frühen Morgenstunden erfuhr Townsend, daß der
Mann, der ihn beim Bankett angesprochen hatte, Bruce Kelly war, der stellvertretende Chefredakteur der Chronicle. Kelly kam sofort zur Sache und erzählte Townsend, daß Sir Somerset Kenwright daran dächte, die Zeitung zu verkaufen, da sie seiner Meinung nach nicht mehr in die Reihe der anderen Publikationen seines Verlagskonzerns paßte.
»War Ihr Kaffee nicht in Ordnung, Sir?« erkundigte sich die Stewardeß.
Townsend blickte zu ihr auf, dann hinunter auf seinen Kaffee, den er noch nicht angerührt hatte. »Doch, natürlich, er schmeckt ausgezeichnet. Ich war nur ein wenig geistesabwesend.« Wieder schenkte sie ihm ihr Lächeln, nahm seine Tasse und ging weiter zur Reihe hinter ihm. Townsend
versuchte erneut, sich zu konzentrieren.
Als er zum erstenmal mit seiner Mutter über diese Idee 263
sprach, hatte sie gestanden, daß es der lebenslange Traum seines Vaters gewesen war, Eigentümer der Chronicle zu sein.
Sie hingegen hatte in dieser Sache gemischte Gefühle. Jetzt reiste Keith zum drittenmal innerhalb von drei Wochen nach Sydney; heute sollte ein weiteres Treffen mit Sir Somersets Topmanagern stattfinden, um die Bedingungen eines
möglichen Abschlusses zu besprechen. Und einer von diesen Managern war Keith noch einen Gefallen schuldig.
Während der letzten Monate hatten seine Anwälte mit denen Somersets zusammengearbeitet; beide Seiten waren der
Ansicht, daß man endlich einer Einigung nahekam. »Der Alte hält Sie für das geringere von zwei Übeln«, war Townsend von Bruce Kelly auf das Gespräch vorbereitet worden. »Er hat erkannt, daß sein Sohn für diesen Job nicht geeignet ist, aber er will nicht, daß die Zeitung Wally Hacker in den Schoß fällt.
Somerset konnte Hacker nie ausstehen, und er traut ihm nicht.
Bei Ihnen ist er sich zwar auch nicht ganz sicher, aber er hat Ihren Vater
Weitere Kostenlose Bücher